Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb
bernsteinfarben leuchtender Computerbildschirm zur visuellen Projektion aller Erinnerungen, die von den Sonden aufgestöbert wurden.
»Also schön, Lieutenant.« Der rauhe Tonfall ließ Carey zusammenzucken. »Ich bin autorisiert, Ihnen über das Schicksal Ihrer Mannschaft Auskunft zu geben. Sie sind tot. Uns blieb nichts anderes übrig, als sie äußerst gründlich zu sondieren, um herauszufinden, was auf Tikkun geschehen ist. Dabei wurden wesentliche Bereiche ihrer Gehirne beschädigt. Sechs Wochen nach ihrer Rettung wurde daher gnädigerweise die Euthanasie angeordnet.«
Rettung? Sie hatten die Mannschaft der Hoyer ermordet. Wenn Cole das jemals erfuhr, würde dieses Wissen ihn umbringen. Er hatte jede nur erdenkliche Vorsorge getroffen, damit die Mannschaft für seine Handlungen nicht zur Verantwortung gezogen werden konnte.
Carey stöhnte vor Wut und streckte die Hände aus, um die giclasianischen Mörder zu packen. Für einen Augenblick starrte sie direkt in einen weit aufgerissenen rubinroten Mund mit nadelspitzen Zähnen, dann rief jemand: »Drückt sie auf den Sitz zurück! Und gebt ihr mehr von dem Betäubungsmittel! Rasch!«
»Sie ist ein Mensch, Mundus! Es wäre gefährlich, ihr noch mehr zu geben.«
»Das ist mir gleich. Tut, was ich sage!«
Careys Finger krümmten sich noch immer in dem Versuch, Mundus’ Kehle zu packen. Schritte erklangen, dann das Klirren von Metall gegen Metall. Plötzlich stieg Carey der Geruch von Chemikalien in die Nase, und einen Moment später schien das Blut in ihren Adern zu kochen.
Sie schnappte verzweifelt nach Luft und wand sich in dem Sessel. Dann wurde ihr Körper schlagartig kalt und reglos.
Doch gleichzeitig schien sich ihr Verstand zu klären, und ihre Wahrnehmungen wurden überdeutlich. Der silberne Helm über ihrem Kopf wirkte plötzlich riesig, und die Sonden darin zielten heimtückisch auf sie. Sie hörte das heftige Atmen der Ärzte und das leise Summen der Geräte. Aus weiter Ferne drang das schrille Gelächter eines Alien zu ihr. Von draußen auf dem Flur? Oder aus einem Beobachtungszimmer gleich nebenan?
Ein Stuhl quietschte laut, als Mundus ihn über den Boden zu sich heranzog, um sich neben Carey zu setzen. Sein ballonförmiger Schädel schimmerte im Licht der Lampen geisterhaft blau. Er beugte sich vor und senkte den Sondenhelm auf ihren Kopf herab. Carey hatte das alptraumhafte Gefühl, ersticken zu müssen.
Sie kämpfte gegen diese Empfindung an, indem sie sich zwang, sie zu analysieren und auf ihren Ursprung zurückzuführen. Wann hatte sie dieses Gefühl schon einmal gehabt? Vor vielen Jahren, in einem anderen Leben. Auf Horin 3. Man hatte sie angefordert, um die örtlichen Streitkräfte bei der Niederschlagung eines bürgerkriegsähnlichen Aufstands zu unterstützen. Careys Bodentruppen waren in einen Hinterhalt geraten. Die Klarheit der Erinnerungen faszinierte sie. Sie konnte alles sehen und spüren, als würde sie die Ereignisse noch einmal durchleben. Ein Treffer hatte die komplette Hecksektion ihres Jägers abgetrennt. Das Schiff krachte in einem schneebedeckten Waldstück zu Boden. Carey lag mit dem Gesicht nach unten in dem Wrack. Ein Haufen Trümmer war auf ihr gelandet, dazu die Leiche von Sem Nunes, dessen zweihundert Pfund die Luft aus ihren Lungen preßten. Blut tropfte aus seinen Wunden und tränkte Careys Uniform. Sie versuchte aufzustehen, doch ihre Kräfte reichten nicht aus, und die gebrochenen Rippen erschwerten ihr zusätzlich das Atmen. Dann füllte sich die Kabine mit Rauch, und sie hörte des Prasseln der Flammen, die näher und näher rückten.
»Carey?« Coles Stimme drang laut in ihre Erinnerungen.
Metall kreischte, als er die Trümmer beiseite räumte. Er rollte Nunes Leiche von ihr herunter, kniete neben ihr nieder und schob seine Arme unter ihre Schultern und Knie. »Carey, können Sie sich an mir festhalten?« Sie klammerte sich an ihn, und Tahn hob sie auf und trug sie aus dem brennenden Schiff hinaus in die eisige, sternenklare Nacht. Cole … immer wieder Cole, der ihr neuen Mut gab und ihr in jeder Situation beistand. Ihr Captain – und ihr Freund. Ein warmes Gefühl von Liebe und Respekt erfüllte ihr Bewußtsein.
Irgend jemand flüsterte kaum hörbar auf der gegenüberliegenden Seite des Raums, doch für Careys Ohren klangen die Worte laut wie Kanonendonner. »Das ist doch sinnlos. Schließlich haben wir die Frau doch selbst darauf gedrillt, sich Sondierungen zu widersetzen. Wir können jetzt nicht
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