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Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb

Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb

Titel: Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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viele?«
    »Ungefähr fünfzig oder sechzig. Ornias hat sie in den Garten schaffen lassen.«
    Mikael senkte den Kopf. »Gesegneter Epagael, er läßt sie draußen im Freien stehen? Dann ist das mit Sicherheit eine Falle.«
    Sybils Magen verkrampfte sich. In dem frostigen Licht wirkte Mikael wie eins der uralten Schwarzweißbilder. Sie wandte den Blick ab.
    Erst vor ein paar Stunden hatten sie davon erfahren. Eine sechzehnjährige Frau war in die polaren Kammern gestürmt und hatte wie verrückt geschrien: »Sie tun es wirklich! Habt ihr es gesehen? Habt ihr die Schreie gehört? Ornias bringt unsere Kinder um – genau wie er gesagt hat! Unsere Kinder!«
    Sybil berührte Mikaels Schulter. »Laß uns warten.«
    »Damit noch mehr Kinder vor unseren Augen niedergeschossen werden?«
    »Aber wenn es eine Falle ist, wäre es besser …«
    »Nein, wäre es nicht. Selbst wenn wir zwanzig allesamt sterben, ist das immer noch besser, als Ornias zu zeigen, daß wir einfach nur zusehen, wenn er unsere Kinder umbringt.« Er schüttelte müde den Kopf. »Wir können nicht warten, Sybil. Das hast du selbst gesagt. Vielleicht bekommen wir Hilfe vom Untergrund. Vielleicht ist das aber auch nur ein Gerücht. Das haben wir in den letzten Jahren ja schon oft genug erlebt. Außerdem ist unser Plan gut genug, um zu funktionieren, ganz gleich, was Ornias vorhat.«
    »Schon möglich«, stimmte Sybil leise zu, doch weiterhin nagten die Zweifel an ihr. Sie beugte sich vor, um seine Hand zu nehmen. »Ich liebe dich, Mikael.«
    Er lächelte düster. »Mach dir keine Sorgen, ich werde mich schon nicht umbringen lassen, wenn ich es irgendwie vermeiden kann.«
    »Das weiß ich.«
    Sybil ließ seine Hand los und spielte nervös mit dem Gewehr, ließ den Sicherungshebel immer wieder vor und zurück schnappen. Überall in dem Felslabyrinth verbargen sich wartende Männer und Frauen. Ganz in der Nähe konnte Sybil einen Arm erkennen, der sich bewegte. Ein Stück weiter schüttelte jemand den Kopf. Die zwanzig Menschen ihrer Gruppe waren echte Überlebende – Kinder, die den Holocaust auf Horeb irgendwie überstanden hatten. Sie alle waren bereit und willens, loszuschlagen.
    Für einen Sekundenbruchteil durchbrachen die ersten Strahlen der Morgendämmerung die Wolkendecke und färbten die Spitzen der Hügelkette mit opalisierend blauem Licht.
    Mikael wandte sich an Sybil. Seine dunklen Augen waren weit aufgerissen. »Fertig?«
    »Ja.«
    Er drehte sich zu den anderen um. »Ihr wißt alle, was ihr zu tun habt? Dara? Shoshi?«
    Ein allgemeines Kopfnicken antwortete ihm. Mikael kroch vorwärts. Die übrigen folgten ihm hinaus auf die regennassen Felsen und teilten sich dort in einzelne Kampfgruppen auf.
    Schließlich waren nur noch Mikael und Sybil übrig. Mikael packte Sybils Arm und sagte: »Versprich mir, daß du hier bleibst. Wehe, ich entdecke dich unten im Kampfgetümmel …« Seine Stimme wurde sanfter. »Ich könnte nicht kämpfen, wenn ich annehmen müßte, ihr beide, du und Nathan, wärt in Gefahr.«
    »Ich setze keinen Fuß von diesem Hang«, versprach Sybil. Außer du steckst in Schwierigkeiten, Mikael. Nur dann.
    Mikael warf einen prüfenden Blick zum Himmel, um nach feindlichen Schiffen zu suchen. »Wenn du irgend etwas Verdächtiges entdeckst, schieß einmal lang und einmal kurz. Wir ziehen uns dann zurück.«
    »In Ordnung. Sei vorsichtig.«
    Mikael strich ihr noch einmal sanft über den gerundeten Bauch und machte sich dann auf den Weg hangabwärts. Sybil schaute ihm nach, bis er in den dunklen Schatten der Straßen verschwunden war. Dann ließ sie ihren Blick abwechselnd über die dahinziehenden Wolken und die roten und goldenen Lichter des protzigen Palastes schweifen.
    Schließlich zog sie sich zu einer merkwürdigen Felsformation zurück, die die Stadt überragte. Sie ähnelte einer Burg, und der Regen war noch nicht in jede Nische vorgedrungen. Sie setzte sich in den trockenen roten Sand, legte das Gewehr über die Knie und lehnte sich gegen den kühlen Stein. Ihr Rücken schmerzte, doch sie bemühte sich, dem keine Aufmerksamkeit zu schenken. Ein Spalt in den Felsen erlaubte ihr einen guten Ausblick auf die Stadt. Die Kinder hatten sich zusammengedrängt, um sich gegenseitig Wärme zu spenden. Ihr Weinen war bis hierher zu hören. Durch die Zieleinrichtung sah Sybil ein kleines Mädchen von vielleicht vier Jahren, das seine Arme flehend einem der Wächter entgegenstreckte. Er stieß sie in den Schlamm. Das Mädchen kroch über den

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