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Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb

Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb

Titel: Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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wahr. Sie sind über und über davon bedeckt, und Ihre Uniform klebt Ihnen am Körper. Auf den Fluren ist es stockfinster. Sie stützen Ihre verwundete Großmutter und zerren sie durch die raucherfüllten Korridore. Und dabei werden Sie von einem ›alles verschlingenden Ungeheuer der Finsternis‹ verfolgt. Aus allen Richtungen hören Sie Stimmen, und die meisten davon sprechen gamantisch. Ein unbekannter Mann brüllt Sie an, Sie sollen sich beeilen. Explosionen erschüttern das Gebäude. Sie sehen Magistrat Slothen. Sie rufen ihn an, bitten ihn, Ihnen zu helfen. Ihre Großmutter verwandelt sich in eine riesige Schlange, schlingt sich um Sie und droht Sie zu ersticken. Doch die Schlange spricht immer noch mit der Stimme Ihrer Großmutter. Sie schreit und schreit, aber Sie können nicht verstehen, was sie sagt. Sie töten die Schlange, indem Sie ihr den Kopf abschlagen. Gibt das Ihre Vision korrekt wieder?«
    Jossel zuckte die Achseln. »Ziemlich genau. Manchmal sehe ich ein Netz funkelnder Lichter, das aus dem Gesicht meiner Großmutter hervorbricht und uns beide einhüllt. Gelegentlich verwandelt sich ihr Gesicht in … in das eines Mannes – oder eines Giclasianers.«
    Lucerne runzelte die Stirn. Für einen Moment hatte er gedacht, sie wollte einen Namen nennen. »Kennen Sie den Mann?«
    »Nein, jedenfalls nicht genau. Er wirkt wie eine Collage verschiedener historischer Militärbefehlshaber.«
    »Zum Beispiel?«
    Sie wischte die Frage mit einer unwirschen Handbewegung beiseite. »Kann ich nicht sagen. Ich weiß nicht, wer sie sind. Sie wirken einfach – vertraut.«
    »Und das alles ist erst in letzter Zeit aufgetreten? Nach Ihrer psychologischen Untersuchung im vergangenen Jahr? Diese Bilder müssen etwas mit Ihren Feuersturm-Angriffen auf gamantische …«
    »Nein …« Jossel zögerte. »Nein. Zum erstenmal hatte ich diese Visionen mit vierzehn.«
    Lucerne beugte sich ungläubig vor. »Was?« Zweifellos war Jossel bekannt, welche Strafen darauf standen, derartige Informationen vor dem medizinischen Stab von Palaia zurückzuhalten. Wenn er diesen Tatbestand weitermeldete, würde der militärische Beirat ihr das Kommando abnehmen und möglicherweise zudem eine Haftstrafe verhängen. Jossel reckte trotzig das Kinn vor, und Lucerne rieb sich den Nasenrücken. »Mit vierzehn, ja? War das in irgendeiner Weise ein traumatisches Jahr für Sie?«
    »Eigentlich nicht. Meine Eltern sind ein Jahr zuvor bei dem pegasianischen Angriff auf Rusel 3, meine Heimatwelt, getötet worden. Aber zu dem Zeitpunkt war der Schock darüber schon abgeklungen. Ich würde sagen, ich war eine ziemlich durchschnittliche Jugendliche, die die Wirren der Pubertät durchstehen mußte.«
    »Sie wohnten bei Ihrer Großmutter, nicht wahr? Als Sie die erste Rückblende hatten, meine ich.«
    Jossel strich sich das blonde Haar zurück und ging zum Fußende des Untersuchungstisches, wo ihre Mütze lag. Nervös zerdrückte sie den purpurnen Stoff. Bei der Erwähnung ihrer Großmutter hatte sich ihr hübsches Gesicht derart verzerrt, daß Lucerne unwillkürlich Mitgefühl für sie empfand. Er strich sich über die Spitzen seines schwarzen Schnurrbarts und dachte über die Implikationen nach, die sich daraus ergaben. Die Krankenschwester am anderen Ende des Zimmers murmelte etwas Unverständliches und verließ eilends den Raum. Lucerne nutzte diese Ablenkung, um wie geistesabwesend hinter ihr herzusehen, wobei er hoffte, Jossel würde sich in der Zwischenzeit wieder ein wenig beruhigen. Die Frau hatte eine heftige Abneigung über ihre Großmutter zu sprechen. »Captain, in den vergangenen zehn Jahren habe ich jede Ihrer alljährlichen psychologischen Untersuchungen selbst durchgeführt. Warum haben Sie diese Rückblenden, die Sie außer Gefecht setzen, nie erwähnt …«
    »Sie setzen mich nicht ›außer Gefecht‹!« Jossel wirbelte herum und blieb dicht vor ihm stehen. »Mein Dienst hat nie unter diesen ›Rückblenden‹ gelitten!«
    Lucerne rührte sich nicht. Unter ihrer harten Schale glaubte er eine Spur sehr realer Furcht wahrzunehmen. Offenbar ahnte sie, weshalb er ihren persönlichen Hintergrund so gründlich durchleuchtete. Ob ihr klar war, daß er ihre Ablösung bereits empfohlen hatte? Möglicherweise vermutete sie es. Ein nervöses Zucken zeigte sich an ihrem Mundwinkel, das sie nicht zu unterdrücken vermochte, obwohl sie es versuchte.
    »Captain«, er klopfte auf den Untersuchungsbericht in seiner Hand und bemühte sich, möglichst ruhig

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