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Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb

Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb

Titel: Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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Augen.
    »Ja, so ist es gut, Carey. Kläre deinen Verstand von allen Gedanken. Und jetzt geh tiefer, immer tiefer, und suche nach dem Ort in dir, der immer lauscht.«
    Es kam ihr so vor, als würde sie stundenlang der Anleitung seiner Stimme folgen. Immer, wenn sie einen falschen Schritt machte, korrigierte er sie in einem beruhigenden, ermutigenden Tonfall und führte sie auf den rechten Pfad zurück – bis sie schließlich einen fremdartigen, stillen Ort betrat. Hier fühlte sie sich auf eine sonderbare Weise sicher und geborgen, wie in einer schützenden Höhle aus Licht. Es kam ihr so vor, als wäre ihr ganzes Leben nichts als ein Echo dieser ewigen Helligkeit.
    »Das ist es, Carey. Bleib hier. Spürst du noch immer das Mea auf deiner Stirn? Gut … sehr gut. Jetzt möchte ich, daß du dir einen Tunnel vorstellst, einen Tunnel aus reinem Licht, der von dir ausgeht und dich mit dem Mea verbindet.«
    Carey konzentrierte sich, und der Tunnel schien sich aus dem Nichts zu bilden und wirbelte vor ihr wie ein feuriger Vortex.
    »Ja, sehr gut, Carey. Und jetzt geh. Geh einfach … von hier aus … bis zu den Pforten des Himmels. Komm, ich begleite dich, so weit ich kann.«
    Er blieb dicht hinter ihr, als sie den Tunnel durchschritt. Sie sprachen über die Lichtzyklone, die unter ihren Füßen entstanden, und über das Glitzern, das von oben herabfiel. Manchmal schien sein bernsteinfarbener Körper mit der Tunnelwand zu verschmelzen, bis nur noch sein grüner Umhang sichtbar war. Der leuchtende Vortex drehte sich immer weiter hinauf. Carey hatte stets an die Geschichten der alten gamantischen Zaddiks über Engel und Gott geglaubt – allerdings hatte sie auch den starken Verdacht gehabt, es handle sich dabei um Aliens aus einem anderen Universum.
    Ein kühler Wind strich ihr über das erhitzte Gesicht, und sie sah, wie sich vor ihr eine klaffende schwarze Leere öffnete und den Tunnel aus Licht verschlang.
    Carey wich einen Schritt zurück.
    Der Engel ergriff stützend ihren Arm. »Das ist schon in Ordnung. Es scheint nur so, als würde die Dunkelheit das Licht besiegen. Das ist eine kurze Illusion, die du durchschreiten mußt. Doch dorthin kann ich dir nicht folgen.«
    Plötzliche Furcht keimte in Carey auf. »Und was ist das?«
    »Der Weg zu Gott. Bist du tapfer genug, ihn zu beschreiten?«
    »Ich? Tapfer?« Carey lächelte über sich selbst. »Wie komme ich dorthin?«
    Der Engel deutete mitten in die Dunkelheit. »Geh einfach geradeaus. Laß dich von den Bildern, die du sehen wirst, nicht erschrecken. Die Leere enthält die Abdrücke der Gesichter aller Lebewesen, die jemals den Pfad der Erleuchtung beschriften haben. Doch nichts davon ist real. Sie können dir nichts tun.«
    Carey holte tief Luft und dachte an Gott. All die alten gamantischen Geschichten tauchten aus ihrer Erinnerung hervor. »Weißt du, daß ich immer hiervon geträumt habe?«
    Die Augen des Engels flammten auf. »Ja, ich weiß. Was wirst du Ihm sagen?«
    Carey verschränkte die Arme. Träumte sie auch jetzt? Vielleicht hatte ihr Gehirn ja auch den idealen Weg gefunden, um sich den Sonden zu entziehen: Träume, die nicht auf Erinnerungen basierten. Konnte sie diese Träume auch kontrollieren? Falls ja, würde das ihrem erschöpften Körper eine Ruhepause gewähren.
    Sie drehte sich um und warf dem Engel einen neugierigen Blick zu. »Ich glaube, ich werde ihn fragen, weshalb er sich so wenig um sein auserwähltes Volk kümmert.«
    Der Engel neigte den Kopf. »Ich hatte gehofft, du würdest diese Frage stellen.«
    Er strich ihr sanft über die Hand und ging dann langsam den Weg zurück, den sie gekommen waren. Über die Schulter rief er ihr zu: »Wenn es irgendwelche Probleme gibt, dann verlange nach dem Archistrategos Michael. Ganz gleich, was die niederen Engel dir erzählen, du hast das Recht, die Frage deines Zutritts vor einem höheren Richter vorzubringen.«
    »Aber wer bist du? Was soll ich sagen, wer mich hergeschickt hat?«
    Doch der Engel hob nur eine Hand zum Abschiedsgruß. Carey sah ihm nach, bis er verschwunden war; dann wandte sie sich wieder der dunklen Leere zu.
    Irgendwo tief in ihren Erinnerungen hörte sie Coles Stimme. »Oh, jetzt begreife ich. Dir gefällt der Gedanke, von einem Schwarzen Loch verschluckt zu werden. Und ich habe fünfundzwanzig Jahre lang geglaubt, du hättest Geschmack.«
    »Alles ist besser als die Sonden, Cole«, seufzte sie und machte einen Schritt vorwärts.

 
KAPITEL 21
     
     
    Das Raunen hunderter

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