Die Gamnma Option
sollen.«
»Was bedeutet ›seine Seite‹?«
»Daß Israel – und die Welt – besser dran wäre, wenn kein Araber mehr übrig bleibt.«
Die alte Schachtel musterte ihn mit ihrem guten Auge. »Fett hat Ihnen von Waffe erzählt, die ganze arabische Welt auslöschen kann?«
»Ja.«
»Rasin hat sie.«
Und allmählich bildete sich für Blaine aus dem Wahnsinn der vergangenen sechzehn Stunden ein gewisser Sinn. Kein Wunder, daß die Araber verzweifelt waren. Wenn sie auch nur vermuteten, daß Rasin solch eine Waffe besaß, würden sie alles in Bewegung setzen, ihn auszuschalten.
»Augenblick mal«, sagte Blaine, seinem Gedankengang folgend. »Warum bringen Sie ihn nicht einfach um? Dafür brauchen Sie mich nicht.«
Ein plötzlicher Windstoß bewegte den Vorhang und fuhr durch das halb geöffnete Fenster. Graue Haarsträhnen fielen der alten Schachtel übers Gesicht. »Können nicht. Rasin verschwunden. Mit seiner Waffe untergetaucht. Spur da, aber wir Sie brauchen, ihr zu folgen.«
»Warum kann Evira ihr nicht selbst folgen?«
»Ich nicht wissen.«
»Ich glaube, Sie wissen es doch. Und ich glaube, wir werden hier sitzen, bis Sie es mir sagen.«
»Ihrem Sohn nicht besser gehen, wenn wir hier warten.«
Blaines Zorn flammte auf. Die tiefe Narbe, die über seine Stirn und durch die linke Braue verlief, verfärbte sich vor der Errötung seines Gesichts milchig weiß. Sein Bart sträubte sich. Er beugte sich drohend über den Tisch vor.
»Wissen Sie was, alte Frau? Ich glaube, Sie wissen überhaupt nichts über den Jungen. Doch ich weiß, daß Evira über ihn informiert ist. Schließlich hat sie die ganze Sache eingefädelt. Wir ziehen das Spielchen also folgendermaßen durch: Sie nehmen mit ihr Kontakt auf und vermitteln mir ein Treffen mit ihr, oder die ganze Sache ist abgeblasen. Ich werde keinen Finger für Sie und Ihr Volk rühren, und das wird Evira nicht gefallen, nach allem, was sie unternommen hat, mich zu rekrutieren.«
»Nein«, gestand die alte Schachtel ein, »das Evira nicht gefallen wird.«
Blaine beobachtete sie, wie sie mit der linken Hand an dem toten Gewebe um ihr linkes Auge zog. Die Haut schälte sich in ihrer Hand zurück und nahm einen Großteil der Runzeln auf ihrer Wange mit. Die linke Hand zog und zerrte weiter, während die rechte die graue Perücke abnahm und einen schwarzen Haarschopf enthüllte. Die Frau sah Blaine nun mit beiden Augen an, und das Alter ihres Gesichts lag in Streifen auf dem Tisch zwischen ihnen.
»Erfreut, Sie kennenzulernen, Mr. McCracken«, sagte Evira.
»Bitte melden, Colonel Ben-Neser!«
In einer schäbigen Wohnung über einem Möbelladen, von der aus man den Markt überblicken konnte, hob Yuri Ben-Neser das Walkie-talkie an die Lippen. »Haben Sie sie, Ari?«
»Ja«, erwiderte Ari. »Ein Eckhaus am anderen Ende des Marktes. Über dem Eingang hängen Lederhandtaschen.«
Ben-Neser trat zum Fenster. »Ich kann es sehen! Ich kann es sehen!« sagte er dankbar und hing sich das Walkie-talkie über die Schulter, um sich mit dem ihm verbliebenen Arm über die Stirn zu fahren. Den anderen hatte er 1973 im Yom-Kippur-Krieg verloren.
Ben-Neser hatte die beiden letzten Jahre mit der Suche nach der untergetauchten Evira verbracht. Er hatte all die Geschichten, all die Legenden gehört. Einige behaupteten, sie hätte jeden Agenten getötet, der auch nur in ihre Nähe gekommen wäre. Andere besagten, sie habe im Staat Israel niemals eine Waffe in die Hand genommen, und sie sei in Wirklichkeit sogar Israelin. Eine andere Legende führte aus, sie habe jeden einzelnen terroristischen Anschlag im Land geleitet. Ben-Neser zog es vor, nur die gesichertsten Geheimdiensterkenntnisse zu akzeptieren, die besagten, sie habe es auf sich genommen, die arabischen Bürger Israels zu einer Macht zu organisieren, die eines Tages das Land von innen übernehmen sollte. Selbst diese gemäßigte Analyse beinhaltete, daß sie überall in Israel ihre Agenten eingeschleust hatte, sogar im Parlament. Aus diesem Grund waren die letzten Kabinettssitzungen unter absoluter Geheimhaltung durchgeführt worden. Ben-Neser persönlich schätzte weder die Ansichten Kahanes noch die wesentlich radikalere Position Rasins. Doch die Vorstellung, eine Legion von Arabern und ihnen treu ergebenen Helfershelfern würden das Land von innen ausspionieren, war geradezu erschreckend. Sie rechtfertigte für ihn das Risiko, das er mit der Durchführung dieser nicht gebilligten Mission einging.
»Sie trifft sich
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