Die Gamnma Option
gleichzeitig auch seine Laufbahn vorzeitig beendet. Er verfolgte gerade fliehende Soldaten, als plötzlich ein Junge vorsprang und eine Granate warf. Während die Aufmerksamkeit seiner Männer auf den davonlaufenden Jungen gerichtet blieb, konzentrierte Ben-Neser sich auf die Granate. Er wußte augenblicklich, daß seine Einheit nur überleben würde, falls es ihm gelang, sie zurückzuwerfen. Er hatte die Granate gerade gepackt und wollte sie davonschleudern, als sie detonierte. Der Colonel hatte seine Männer gerettet, doch von seinem Arm waren nur ein paar Sehnen geblieben, die aus dem Schultergelenk hingen.
Die Rehabilitationsphase hatte lange gewährt, und Ben-Neser hatte die Benutzung einer Prothese abgelehnt und gelernt, mit nur einem Arm zu leben. Die beste Therapie war Entschlossenheit, und er konzentrierte all seine Kraft darauf, zum besten Scharfschützen Israels zu werden. Er lernte, wie man das Gewehr mit nur einem Arm ruhig hielt, und konnte die Waffe schließlich so schnell laden wie jeder Mann mit zwei Händen. Die Einsätze eines Jahrzehnts hatten schließlich zu einem einzigen Fehler geführt – ein Zivilist lief in eine Kugel, die für einen gesuchten Terroristen bestimmt war –, und er war als Kontrolloffizier zum Mossad versetzt worden, auf einen Schreibtischposten, wo er die Einsätze anderer Agenten koordinieren mußte. Bei jedem Bericht grübelte er nicht darüber nach, wie die Operation ausgeführt worden war, sondern wie er sie ausgeführt hätte, und seine Frustration wuchs.
Das Faß lief über, als die ersten Berichte über Evira auf seinen Schreibtisch kamen. Durch geschicktes Taktieren schaffte er es, zum Leiter des Teams ernannt zu werden, das Informationen über sie zusammentrug, und er entwickelte geradezu eine Besessenheit, ihren geheimnisvollen, blitzschnellen Aktionen in Israel ein Ende zu bereiten. In den beiden letzten Jahren hatte er sich keiner anderen Aufgabe gewidmet, und als ein Bericht sie schließlich mit einem Laden auf dem Markt von Jaffa in Verbindung brachte, entschloß sich Ben-Neser, die interne Aktennotiz verschwinden zu lassen und sich selbst darum zu kümmern. Die mit der Sache befaßten Agenten wußten nichts von dieser Eigenmächtigkeit. Er war schließlich ihr Kontrolloffizier, und sie hatten keinen Grund, eine plötzliche Änderung der Pläne anzuzweifeln.
»Bitte melden, Colonel«, schnarrte eine Stimme in seinem Walkie-talkie.
»Ich höre Sie, Ari.«
»Alle Männer sind in Position. Wir können auf Ihr Signal eingreifen.«
Ben-Neser rief sich noch einmal die Anordnungen in Erinnerung zurück, die er getroffen hatte, nachdem Eviras Position bestätigt worden war. Neben Ari hatte er sechs weitere Agenten zur Verfügung. Zwei davon waren auf dem Flachdach des langen, schmalen Gebäudes postiert, in dem er sich zur Zeit aufhielt; es beherbergte insgesamt wohl ein Dutzend Geschäfte. Einer hatte hinter dem Zielgebäude Stellung bezogen, für den Fall, daß Evira in diese Richtung fliehen würde. Die drei anderen befanden sich vor den kleinen Geschäften: Einer saß vor einer Decke, auf der sich billige Uhren stapelten, ein zweiter in einer Schürze verkaufte Gemüse aus einem Wagen, und ein dritter hatte sich als Kunde getarnt, der nach einer geeigneten Ware Ausschau hielt.
Der Phantomschmerz kratzte wieder an Ben-Nesers Arm. Hatte er schon den Punkt überschritten, bei dem es kein Zurück mehr gab, oder konnte er die Mission noch abbrechen? Ganz gleich, welche Folgen es für seine Zukunft haben würde. Doch er näherte sich sowieso dem Ende seiner Laufbahn und wollte unbedingt noch etwas mit sich nehmen, etwas, das über die Anonymität der Anschläge hinausging, die er in dem Jahrzehnt verübt hatte, das er als Scharfschütze gearbeitet hatte.
Ben-Neser schaltete sein Walkie-talkie auf den Kanal um, auf dem ihn jeder seiner Agenten hören konnte. »Wir greifen auf mein Signal ein. Haltet euch bereit. Macht nur von der Schußwaffe Gebrauch, wenn es unbedingt nötig ist. Verstanden? Ich will sie lebendig haben. Das ist die erste Priorität.« Er warf einen letzten Blick über die Straße. Während ihn ein Zerren in seinem nicht mehr vorhandene Arm erschaudern ließ, fuhr er fort: »Dreißig Sekunden, Leute. Auf meinen Befehl …«
»Sie haben keine Wahl, und ich auch nicht«, sagte Evira.
McCracken warf ihr über den Tisch einen Blick zu. »Hoffen Sie wirklich, an Hassani herankommen zu können? Wir sprechen hier über einen Mann, der sich so gut
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