Die Gang: Roman (German Edition)
erinnerte sich, wie sie oft das Gerät ausgeschaltet und mit ihm gesprochen hatte, nachdem er sich am Telefon zu erkennen gegeben hatte.
»Hier ist Dave«, sagte er.
Joan sah elend aus.
»Wenn du da bist, geh um Himmels willen ans Telefon.« Er horchte. Es kam nur ein entferntes, leeres Rauschen. »Gloria? Hier ist Dave. Bist du da?«
Ich spreche mit einer toten Frau.
Er legte auf.
Joan kam zu ihm und nahm ihn in die Arme.
»Wir sollten es hinter uns bringen«, murmelte er. Er drückte sie an sich und spürte die steife Weste, das Messer und die Pistole, aber auch ihre Wärme, ihre weiche, glatte Wange. Er küsste sie. »Wenn ich dich wegen dieser Sache verliere …«
»Jeder von uns ist Gott einen Tod schuldig«, sagte sie.
»Das ist genau das, was ich hören wollte.«
»Aber es ist noch nicht so weit.« Sie tätschelte sanft seinen Po und löste sich von ihm.
Er beobachtete, wie sie in die Papiertüte griff, eine Strickmütze herausnahm und sie über den Kopf zog, bis nur noch ein paar blonde Stirnfransen zu sehen waren. Sie zog die Augenbrauen hoch. »Sehe ich schon hinreißend genug aus?«
»Überwältigend.«
Sie hob die Tüte hoch, die immer noch nicht leer war.
»Du hast doch noch eine Uzi.«
»Nur eine alte Decke«, sagte sie.
»Wozu?«
»Zur Vervollständigung des Stils.«
Im Wohnzimmer wartete Dave, während sie die Tüte öffnete. Sie nahm ihre Marke aus dem Lederetui. »Das darf ich nicht vergessen«, sagte sie. »Hast du deine?«
Er legte die Hand auf die Brieftasche.
Joan hob das Sweatshirt und steckte die Marke an einen Riemen ihres Schulterhalfters. Dann nahm sie ihre Einkaufstüte, und sie verließen das Haus.
Dave schloss die Tür ab, suchte den Zündschlüssel heraus und ging mit Joan zur Einfahrt, wo sein Auto wartete. Auf platten Reifen.
»Was zum Teufel …«, murmelte er.
Er ging um den Wagen herum. Alle vier Reifen waren vom Gewicht des Autos flach auf den Asphalt gedrückt. Er sah, wie Joan zur Straße lief.
Sie sah zu ihm hinüber. »Meine auch«, sagte sie.
»Du machst Witze.« Er ging zu ihr hinüber. Joans Auto stand ebenfalls auf vier platten Reifen. »Verdammt.«
»Sieht aus, als wollte jemand unseren Plan sabotieren«, sagte sie.
»Das ist doch verrückt. Vielleicht waren es ein paar Kids …«
»Besonders ein bestimmtes Kid. Meine Schwester.«
»Debbie? Glaubst du, sie hat das getan?«
»Sie muss es gewesen sein. Das kann nicht irgendein verrückter Zufall sein. Lieber Gott, sie muss sich viel größere Sorgen machen, als ich dachte.«
»Weiß sie, wo ich wohne?«
»Du stehst im Telefonbuch, Partner. Sie hat einfach nachgesehen, ist hier rübergekommen und los.«
»Gut für sie!«
»Dieses kleine Biest! Warte, bis ich sie erwische!«
Dave versuchte vergeblich, nicht zu grinsen. »Ein hitziges Temperament. Muss in der Familie liegen.«
»Ich werde sie erwürgen.«
»Sie hat es doch nur getan, weil sie dich liebt.«
»Ja, das weiß ich. Trotzdem werde ich sie vierteilen, die kleine Ratte.«
Dave lachte.
»Ja, amüsier dich nur.« Sie wandte sich von ihm ab und hockte sich neben den Vorderreifen.
»Sie sind hoffentlich nicht zerschnitten.«
»Debbie würde nicht so weit gehen. Ich bin sicher, dass sie nur die Luft rausgelassen hat.« Joan rieb ihre Hände an den Seiten des Reifens entlang und schmierte sich dann den Dreck ins Gesicht.
»Du meine Güte«, sagte Dave.
Sie senkte die Hände. Ihre Stirn, Wangen und Kinn waren voller Dreck, der im Licht der Straßenbeleuchtung grau und rußig aussah.
»Ich weiß schon. Stil. Bedeutet das, wir haben immer noch vor zu gehen?«
»Ich habe es vor.«
»Großartig«, murmelte er. »Soll ich ein Taxi rufen?«
»Lass uns doch laufen. Es ist nicht so weit.«
»In Ordnung. Warte eine Minute. Ich will nur meine Taschenlampe holen.« Er ging zu seinem Auto und fühlte sich seltsam fröhlich. Nichts konnte Joan aufhalten, aber die platten Reifen würden sie eine Menge Zeit kosten. Zu Fuß zum Strand zu gehen würde eine gute halbe Stunde dauern.
Ein Aufschub.
Danke, Debbie. Vielen Dank. Dafür bin ich dir was schuldig.
Ich werde sie zu einem Eisbecher einladen, dachte er und grinste.
Er schloss sein Auto auf, holte die Taschenlampe unter dem Sitz hervor und ging dann zurück zu Joan. »Lass uns nicht zu schnell laufen«, sagte er. »Wir sollten auf keinen Fall riskieren, dass sich einer von uns den Knöchel verstaucht.«
40
»Wie sieht es bei dir aus?«, fragte Tanya und warf einen schnellen Blick
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