Die Gang: Roman (German Edition)
einen Musiker. Oder um mehrere – es hörte sich nach mehr als einem an. Hatte sie Freunde? Wo waren die letzte Nacht gewesen?
Was, wenn sie mich erkennt und ihre Freunde auf mich hetzt?
Ich habe ihr nichts getan.
Ihre Freunde werden mir nichts tun, versuchte er sich zu beruhigen. Es sind zu viele Leute in der Nähe.
Jeremy erreichte den Rand der Zuhörermenge. Er ging außen herum, bis er eine Lücke fand.
Sie spielte allein.
War es Battle Hymn of the Republic? Zuerst hörte es sich so an. Dann veränderte sich die Melodie zu Dixie , dann zu When Johnny Comes Marching Home , und dann wurde es zu einer Mischung aus allen drei Liedern. Das Biest war gut.
Und sah gut aus. Ein bisschen jungenhaft, aber auch weiblich. Ihre Arme waren nackt. Ihr ausgeblichenes blaues Hemd war ziemlich weit aufgeknöpft und ließ ein wenig von ihrer Brust sehen.
Ein letzter Akkord und das Lied war zu Ende. Die Leute klatschten und jubelten. Einige gingen nach vorn, um Geld in ihren Banjokasten zu werfen. Jeremy war bereit, sich zu ducken, sobald sie in seine Richtung sehen würde, aber ihr Kopf blieb gesenkt, sie blickte nicht auf.
Als sie schließlich den Kopf hob, schlüpfte er hinter einen großen Mann.
»Jetzt kommt ein Stück, das ich selbst komponiert habe«, sagte sie. »Man könnte es ein Antikriegslied nennen … oder auch nicht.«
Sie fing an zu spielen. Jeremy beugte sich nach vorn und starrte sie an. Sie blickte geradeaus, von ihm aus gesehen nach rechts, ungefähr auf dieselbe Stelle, wohin sie während des letzten Liedes gesehen hatte.
Sie begann, zur rhythmischen Banjomusik zu singen.
»Leute, wir treffen uns zum Würstchengrill,
Die ganze Welt brennt, jeder grillt, was er will.
Feuer überall, von Land zu Land,
Wir reichen Würstchen und Kuchen von Hand zu Hand.
Wir trinken Limonade und futtern uns voll
Mit warmem Kirschkuchen, Marshmallows, ganz toll,
Alles dampft und kocht und brodelt dazu,
Wenn du Spaß hast am Grillen, komm auch du.«
Krank, dachte Jeremy. Aber einige Leute im Publikum lachten und johlten, als ob sie es witzig fänden.
Das Lied ging weiter, aber er hatte genug gehört. Er entfernte sich von der Menge und eilte die Promenade entlang.
Sie war ein richtiges Biest. Witze über den Atomkrieg zu machen! Er wünschte, er hätte sich gestern Nacht gegen sie gewehrt. Hätte ihr eine geknallt und sie umgeworfen. Ihr Hemd aufgerissen.
Jetzt bist du nicht mehr so stark, wie, Süße?
Was hältst du von diesem Würstchen?
Vielleicht würde sie dann ein Lied darüber schreiben, wie lustig es ist, die Seele aus dem Leib geprügelt zu kriegen und vergewaltigt zu werden.
Als könnte sie seine Gedanken lesen – oder vielleicht war ihr nur sein Gesichtsausdruck aufgefallen –, fixierte eine Polizistin Jeremy. Sie kam direkt auf ihn zu. Ein Mann war bei ihr. Sie trugen beide weiße T-Shirts, blaue Mützen und Shorts. Von ihren Gürteln abgesehen, hätte man nicht feststellen können, dass es Bullen waren. Sie nickte, als der Kerl etwas zu ihr sagte, aber sie nahm ihre Augen nicht von Jeremy.
Konnte sie hellsehen?
Er versuchte, ganz lässig den Kopf wegzudrehen. Sie wird mich anhalten, dachte er.
Sein Gesicht fühlte sich heiß an. Sein Herz klopfte heftig. Ihm war ganz flau.
Ich habe nichts getan!
Sie ging dicht an ihm vorbei.
Er seufzte.
Er wartete ein paar Sekunden und blickte dann über seine Schulter zurück. Ihr Gesicht war dem anderen Polizisten zugewandt. Blöde Kuh, dachte er. Warum hat sie mich so angestarrt? Aber für einen Bullen sieht sie gut aus. Er stellte fest, dass sie Tanya ziemlich ähnlich sah. Das Haar unter der blauen Mütze hatte denselben Goldton. Ihre Schultern waren ebenso breit, ihre Beine gebräunt und kräftig. Sie hätte fast Tanyas ältere Schwester sein können. Oder ihre Mutter.
Ihre Mutter! Das hätte gerade noch gefehlt!
Außerdem war sie zu jung dazu.
Er sah die Träger ihres BH durch das T-Shirt. Dann senkte er den Blick und beobachtete, wie sich ihre Pobacken in den Shorts bewegten.
Er wünschte, er hätte nicht so schnell weggesehen, als sie auf ihn zukam. Er hatte nur ihre Augen bemerkt. Er hätte gern noch einmal einen Blick auf ihr Gesicht geworfen.
Jemand ging jetzt hinter ihr her und versperrte Jeremy die Sicht.
Er machte ein paar Schritte zur Seite, versuchte, sie wieder zu entdecken, aber es half nichts.
»He, Amigo.«
Er drehte sich um und grinste. »He, Mann, schleichst du dich immer so an mich ran?«
»Siehst du dir die hiesige
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