Die Gang: Roman (German Edition)
nie mehr als das. Vielleicht haben wir beide mehr gewollt, aber es ist nichts draus geworden. Lassen wir es also dabei und versuchen nicht, etwas anderes daraus zu machen.«
Er schniefte. Er schüttelte den Kopf. Er rieb sich die Augen.
»Wir können nächste Woche ins Kino gehen.«
»Nein. Das könnte ich nicht. Mein Gott, ich will doch nicht dein Mitleid.«
»Na gut, dann geh doch zum Teufel!«
Sein Kopf fuhr herum. Seine Augen waren feucht und rot. Seine Wangen glänzten von den Tränen. Er schaute ihr in die Augen und sah ihr Grinsen. Und dann fing er an zu lachen.
»Nimm mein Mitleid oder verschwinde, Junge.«
Er lachte wieder.
Das Telefon klingelte. »Diesmal gehe ich ran. Nutz die Gelegenheit und reiß dich zusammen.«
Er blieb auf dem Sofa. Joan eilte in die Küche und griff sich das Telefon. »Hallo?«
»Na, du!? Ich bin’s!«
»Hallo, Ich«, sagte sie und spürte, wie Wärme sie durchströmte. »Wie war’s?«
»Gar nichts war. Ich ging zu ihrer Wohnung, aber sie war nicht da. Ich bin sogar zweimal hingegangen. Einmal vor dem Abendessen und einmal danach.«
»Meinst du, sie ist immer noch da draußen und spielt ihre Spielchen?«
»Das würde mich nicht überraschen. Ich werde zur Promenade fahren und dort suchen, aber das wird ein bisschen dauern. Ich wollte zuerst mit dir sprechen, damit du weißt, was los ist.«
»Ich habe angefangen, mir Sorgen zu machen. He, wie wär’s, wenn ich mitkomme?«
»Ich glaube, es würde die Sache nur noch schlimmer machen, wenn wir zusammen wären, und …«
»Ich weiß. Ich weiß das. Mist.«
»Geht es dir gut?«
»Ja. Ich vermisse dich nur.«
»Du vermisst mich?«
»Nein, ich kann dich nicht mehr sehen. Natürlich vermisse ich dich! Ich hatte angenommen, dass wir uns heute Abend treffen könnten. Vor einiger Zeit habe ich dich angerufen.«
»Ich habe auch angerufen.«
»Ja, ich dachte mir, dass du das warst. Ich konnte nicht rangehen. Wenn du wirklich annimmst, dass Gloria ausflippt oder so, wenn sie uns zusammen sieht …«
»Ach, lass sie doch! Ich komme vorbei und hole dich ab. In zehn Minuten?«
»Wie wär’s mit einer halben Stunde? Ich muss noch duschen.«
»Kann das nicht warten, bis ich dort bin?«
»Ha, ha. Vergiss es, Davey Boy.«
»Darüber muss ich nachdenken.«
»Also bis später.« Sie legte auf und ging zurück ins Wohnzimmer. Vor dem Tisch blieb sie stehen. Harold saß kerzengerade. Er weinte nicht mehr. »Bist du in Ordnung?«, fragte sie.
»Soweit man das erwarten kann, ja.«
»Und du holst mich nächste Woche ins Kino ab?«
Er lächelte matt. »Ah, das Stichwort für meinen Abgang.«
»Ich fürchte, ja. Ich muss duschen und dann gehen. Dave war am Telefon. Wir haben eine Art Notfall, um den wir uns kümmern müssen.«
Harold nickte und trank sein Glas aus.
Er stand auf. Joan nahm seine Hand, und sie gingen zur Tür. »Was ist mit dem Kino?«, fragte sie.
»Ich weiß es nicht.«
»Lass es uns versuchen. Es sei denn, du lässt mich bis dahin sausen für eine, die tatsächlich noch charmanter und schöner ist als moi .«
»Das Fallenlassen ist schon passiert. Wenn ich mich nicht irre, nicht von meiner Seite.«
Seine Worte quälten sie. Sie hatte geglaubt, seine Wunde geheilt zu haben. Aber sie hatte wohl nur einen Verband draufgeklebt.
Harold öffnete die Tür.
Joan umklammerte seinen Arm, um ihn festzuhalten. Sie zog ihn zu sich herum, weil sie sein Gesicht sehen wollte. Er sah jetzt nicht mehr so gequält aus; er wirkte resigniert, besiegt, leicht verstört und hatte einen leeren Blick.
»Ich wünschte, ich könnte alles ändern.«
»Du bekommst einen Punkt für die gute Absicht.« Er wand seinen Arm aus ihrem Griff und ging in den Nebel hinaus.
Joan schloss die Tür. Sie lehnte sich dagegen und seufzte tief.
Sie fühlte sich schrecklich, aber sie war froh, dass er gegangen war. Froh, dass es vorbei war.
Es war vorbei. Er hatte verloren, und er war nicht bereit, den Trostpreis ihrer Freundschaft anzunehmen. Und sie war froh darüber.
Es unterschied sich gar nicht so sehr davon, Woodrow Abernathy ans Kinn zu treten. Zuerst ein Gefühl von Erleichterung und Freude, weil sie mit einer Situation fertig geworden war, etwas zu Ende gebracht hatte. Aber dann strömten die Schuldgefühle wie grauer Regen in ihre Seele.
24
»Es war sehr nett, Sie kennenzulernen, Mrs. Wayne.«
»Nun, ich habe mich auch gefreut, dich kennenzulernen, Shiner.«
»Ich muss um Mitternacht zu Hause sein; ich werde Jeremy also gegen
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