Die Gateway-Trilogie: Mit einem Vorwort von Jack Vance (German Edition)
hatte, wenn ich zu tief drinsteckte. Jedenfalls versuchte es dies. Ich habe ihm aber nicht immer geglaubt. Im Laufe der Zeit habe ich mich mehr und mehr auf meinen allgemein wissenschaftlichen Ratgeber und mein Mädchen für alles, Albert Einstein, beschränkt. »Robin«, sagte er mit leichtem Tadel. »Du hast mich doch nicht bloß gerufen, um herauszufinden, ob ich ein Spanner bin!«
»Du weißt ganz genau, warum ich dich gerufen habe«, entgegnete ich. Er nickte und deutete auf die gegenüberliegende Wand meines Büros über dem Tappan-See, wo mein Gegensprechanlagen-Bildschirm war – Albert kontrolliert ihn ebenso wie alles andere, das mir gehört. Dort erschien eine Art Röntgenbild.
»Während wir uns unterhalten haben«, gestand er, »habe ich mir die Freiheit genommen, Robin, dich mit Schallimpulsen abzutasten. Sieh mal! Das ist dein letztes Darmtransplantat. Wenn du genau hinschaust – warte, ich werde es vergrößern –, kannst du den gesamten Entzündungsbereich erkennen. Ich befürchte, dass du es abstößt. Leider.«
»Um das zu wissen, hätte ich dich nicht gebraucht«, fuhr ich ihn an. »Wie lange?«
»Ehe es kritisch wird, willst du wissen? Ja, Robin«, erklärte er mit großem Ernst. »Das ist schwierig zu sagen. Medizin ist schließlich keine exakte Wissenschaft …«
»Wie lange?«
Er seufzte. »Ich kann dir eine Schätzung für Minimum und Maximum geben. Katastrophales Versagen ist für die nächsten vierundzwanzig Stunden so gut wie ausgeschlossen, aber in sechzig Tagen so gut wie sicher.«
Ich entspannte mich.
Das war nicht so schlimm, wie es hätte sein können. »Dann habe ich also noch etwas Zeit, ehe es ernst wird.«
»Nein, Robin«, widersprach er. »Es ist bereits ernst. Das Unbehagen, das du spürst, wird sich noch verstärken. Du solltest auf alle Fälle mit der medizinischen Behandlung anfangen. Aber trotz aller Medikamente lautet die Prognose: heftige Schmerzen, und zwar bald.« Er machte eine Pause und beobachtete mich. »Aus deinem Gesichtsausdruck schließe ich, dass du den Eingriff aus einer Marotte heraus so lange wie möglich aufschieben willst.«
»Ich möchte die Terroristen aufhalten!«
»Ja, sicher!«, stimmte er mir zu. »Ich weiß, dass du das willst. Es ist ja auch ein triftiger Grund, wenn ich mein Werturteil abgeben darf. Und gerade deshalb willst du auch nach Brasilien, um bei der Gateway-Kommission zu intervenieren.« – Das wollte ich wirklich. Die schlimmsten Verbrechen der Terroristen wurden von einem Raumschiff aus begangen, das bisher keiner erwischen konnte. – »Ferner willst du sie dazu bringen, ihre Daten auszutauschen, damit sie die Terroristen ernsthaft bekämpfen können. Ja, und von mir willst du die Zusicherung, dass der Aufschub der Behandlung dich nicht umbringen wird.«
»Ganz genau, mein lieber Albert!« Ich lächelte.
»Diese Zusicherung kann ich dir geben«, sagte er mit großem Ernst. »Zumindest kann ich deinen Zustand überwachen, bis die Sache akut wird. Dann aber musst du dich sofort einer neuen Operation unterziehen.«
»Einverstanden, mein lieber Albert.« Ich lächelte erneut, doch er erwiderte mein Lächeln nicht.
»Aber trotzdem glaube ich nicht, dass du nur einzig und allein deshalb den Austausch aufschieben willst«, vermutete er. »Du hast doch noch etwas anderes im Sinn.«
»Ach, Albert«, stöhnte ich. »Wenn du Sigfrid Seelenklempner spielst, gehst du mir auf den Wecker. Sei lieb und schalte dich ab!«
Mit sorgenvoller Miene tat er es. Er hatte auch allen Grund, so bekümmert dreinzuschauen. Schließlich hatte er Recht.
Und tief in meinem Innern, an dieser nicht lokalisierbaren Stelle, an der die unausrottbaren Schuldgefühle lauern, die auch Sigfrid Seelenklempner nicht beseitigen konnte, hegte ich die Überzeugung, dass die Terroristen im Recht waren. Natürlich nicht in dem Sinne, Leute umzubringen, sie in die Luft zu jagen oder in den Wahnsinn zu treiben. Das bleibt immer Unrecht. Ich meine, dass sie einen berechtigten Grund zur Klage zu haben glaubten, einen sündhaften, ungerechten Hass auf die restliche Menschheit. Deshalb hatten sie das Recht, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ich wollte den Terroristen nicht Einhalt gebieten. Ich wollte sie heilen.
Oder wenigstens nicht noch kränker machen, als sie ohnehin schon waren. Damit sind wir bei dem moralischen Kern der Angelegenheit. Wie viel darf man von einer anderen Person stehlen, ehe man zum Dieb wird?
Dieses Problem beschäftigte mich ungeheuer,
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