Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
Freunde werden euch kriegen!«
»Und was für Freunde solle das sein? Schweine habe keine Freunde!«
Wulfhard presste die Lippen zusammen, er hatte das Gefühl, als ob die Fackeln sich ein Stück zurückzogen. Trotzdem gaben seine Peiniger nicht auf.
»Der Verwalter vom Grafe tut dich in Schtücke haue und de Ratte vorwerfe.«
»He, Wulfhard, ich stell mir das grad vor, wie du morge versuchsch, deine Eingeweide wieder reinzuschtopfe.«
»Genau, pass auf, dass du net drauf ausrutsche tusch!«
Wieder warf Wulfhard sich in hilfloser Wut gegen die Wand des Lagerhauses. Die Bretter erbebten leicht. »Passt ihr lieber auf! Wenn ich hier raus bin, mach ich euch fertig!«
»Du und raus?«
Sie lachten und schlugen sich auf die Schenkel.
Dann verstummte das Lachen plötzlich. Wulfhard richtete sich so gut auf, wie die Stricke an seinen Armen es erlaubten, und lauschte, aber er konnte die getuschelten Worte nicht verstehen. Sein Herz schlug schneller. Verbissen versuchte er sich einzureden, dass es besser war, schnell zu sterben, als noch länger die Ungewissheit zu ertragen. Es funktionierte nicht. Er wollte leben.
»He, Drecksau, du kannsch net rauskomme, aber wir könne rein zu dir. Keine Sorge, wir lasse Reinmar noch g’nug übrig, aber jetzt gebe wir dir erscht mal en kleine Vorgschmack auf das, was dich erwartet. Holt scho’ die Axt!«
»Noch kannsch bereue, dass dich gege de Grafe gschtellt hasch! Solle wir de Paffe hole, damit dem sage kannsch, wieso du die Leut vom Gerald umbracht hasch?«
»Hab ich ja nicht!« Wulfhard bäumte sich auf und trat in ohnmächtiger Wut um sich.
»Hat er net!«, höhnte der eine. »Hat sich der Graf da geirrt, Drecksack? Willsch du sage, der Graf lügt?«
»Wie hell isch’s denn da drin?«
»Ja, er braucht Licht!«, nahm der Zweite den Gedanken auf.
Unsichere Schritte entfernten sich.
Wulfhard keuchte. Er fühlte, wie der kalte Schweiß über sein Gesicht rann, aber er konnte ihn nicht einmal abwischen. Er drückte sich gegen die Wand in seinem Rücken und ertappte sich dabei, zu beten. »Herr, gib mir die Gelegenheit, diesen Feiglingen entgegenzutreten. Ich gelobe, ich …«
Erneut näherten sich Schritte dem Lagerhaus. Wulfhard brach ab und hielt den Atem an, da der Riegel zurückgeschoben wurde. Die Tür schwang auf, und Fackelschein drang in den fensterlosen Schuppen.
»Da wären wir!« Ein untersetzter, breitschultriger Mann mit einer rußenden Fackel in der Hand trat ein. Wulfhard konnte seine Gesichtszüge nicht erkennen, aber er erinnerte sich an die Stimme. Es war die, die die Trunkenbolde zur Ordnung gerufen hatte. Er blinzelte gegen die ungewohnte Helligkeit an.
»Keine Dummheiten!«, befahl der Mann und hielt ein Messer ins Licht. Er stieß die Tür ein wenig weiter auf. Leichter Wind wehte, der Himmel war sternenklar, und es duftete nach Herbst. Ein zweiter, größerer Mann, in dem Wulfhard den Wirt des Dorfs zu erkennen glaubte, drängte sich herein. Obwohl Wulfhard wusste, dass es sinnlos war, spannte er seine Muskeln an. Seine Augen waren unverwandt auf das Messer gerichtet.
»Das stinkt ja schlimmer als in einem Schweinestall«, fluchte der Erste. »Los, Hannes.«
Der Wirt holte aus, ein Schwall eiskalten Wassers ergoss sich über Wulfhard.
»Was zum Teufel …!«
Im nächsten Augenblick riss Hannes Wulfhards Kopf in den Nacken, während sein Gefährte sich mit dem Messer über ihn beugte. »Hör auf zu strampeln!«, befahl er gleichgültig. »Das nützt dir sowieso nichts!« Mit ein paar groben Schnitten stutzte er die verfilzten roten Haare und den Bart des Gefangenen. Dann nickte er Hannes zu, der den Rest des Wassers über Wulfhard ausleerte.
»Abgekühlt?«, fragte er mit einem kurzen Auflachen.
Wulfhard spuckte und musterte die beiden Männer aus zusammengekniffenen Augen. Er nickte langsam.
»Lass es uns hinter uns bringen, Eberhard«, murrte der Wirt. »Ich muss morgen früh raus. Also«, wandte er sich an Wulfhard, »Eberhard wird dich jetzt losschneiden. Wenn du Dummheiten machst, wirst du es bereuen.«
»Ich sag euch, ihr bereut es, wenn ihr mich tötet. Meine …«
»Wir werden dich nicht töten«, unterbrach Eberhard ihn, »das übernimmt ein anderer. Und zwar morgen.« Er ließ ein kurzes humorloses Grinsen aufblitzen, während er Wulfhards rechtes Handgelenk packte und den Strick durchtrennte, der es an einen Balken fesselte. Dann verfuhr er mit seiner linken Hand ebenso. Sekundenlang standen die beiden Männer sich lauernd
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