Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
nicht.«
Gerald schoss das Blut in die Wangen. »Vor allem gehört die Zustimmung des Grafen dazu. Er hat uns zwar gestattet, dass wir nach altem Brauch einen Fronboten wählen, aber jedem von uns war klar, dass er die Wahl seines eigenen Verwalters billigen würde.«
»Aber mit dem Tod meines Bruders ist diese Wahl nun einmal hinfällig«, wandte Rigbert ein, »und ich als sein nächster Verwandter halte Euch für geeignet.«
»Warum macht Ihr es nicht?«, fragte Gerald scharf. »Ihr wart schließlich im Krieg.« Die Betonung auf dem ›Ihr‹ hing drohend zwischen den beiden Männern.
Rigberts Gesicht verfärbte sich dunkler. »Ich habe andere Sorgen!«
»Moment!« Dietger sprang auf die Füße und verschränkte die Arme vor der Brust. »Bloß weil ich mit meine Biene am Dorfrand lebe tu, bin ich net weniger wert als der da! Dein Gschäft isch net besser als meins, Schmied.«
»Aber darum geht es doch gar nicht!«
»Doch, Hannes, da drum geht’s!«
Der Wirt verdrehte die Augen und setzte zu einer scharfen Entgegnung an, da hob der Pfaffe die Hand. »Keinen Streit in meiner Kirche! Ich schlage vor, ihr lasst euch die Sache daheim mit kaltem Blut durch den Kopf gehen. Der, auf den morgen die Wahl der Gemeinschaft fällt, wird Reinmars Pflichten als Fronbote übernehmen und Wulfhard hinrichten. Geht mit Gott!«
»Das war ein Rausschmiss«, tuschelte Hannes mit einem Schmunzeln und erhob sich. Auch die anderen Männer drängten ins Freie.
Auf dem Platz vor der Kirche hielt Rigbert Gerald am Arm fest. »Ich wollte Euch mit der Bemerkung über den Krieg nicht verärgern, Schmied. Aber ich verstehe Eure Zurückhaltung nicht. Ihr hasst diesen Wulfhard doch mehr als jeder andere.«
»Eben!« Gerald drehte sich zur Kirche um und deutete auf den kreuzbewehrten Giebel. »Siehst du«, erläuterte er Hannes, »das Dach würde beim ersten Glockenschlag in sich zusammenfallen.«
»Wovon redet der Mann?«, schnaubte Rigbert.
»Davon, dass er nicht zur Verfügung steht«, seufzte Hannes. »Ist doch so?«
»Ja, ich tauge nicht zum Fronboten oder Richter oder wie auch immer.« Plötzlich fuhr Gerald zu den beiden herum. »Verdammt, ich rede über diesen Glockenturm, weil mich der Gedanke, dass Wulfhard immer noch atmet, wahnsinnig macht. Heute Morgen hab ich Reinmar noch um die Ehre beneidet, ihn abzuschlachten. Aber ich möchte seinetwegen keine Sünde auf mich laden! Das ist er nicht wert!«
»Und Eure Eltern, sind sie das nicht wert?«, fragte Rigbert.
Hannes machte einen raschen Schritt vorwärts, aber Gerald stieß ihn beiseite. »Und Euer Bruder?«, presste er hervor. »Wulfhard ist an seinem Tod ebenso schuld wie an dem meiner Eltern. Tötet Ihr ihn!«
»Ich werde auf dem Anwesen des Grafen gebraucht! Jetzt mehr als vorher. Überdenkt es. Ihr findet mich bei den Pferden.« Rigbert stakste davon.
Hannes schob die Daumen in den Gürtel und sah ihm nach. »Armer Kerl! Das mit Reinmar macht ihn fertig. Den eigenen Bruder so grauenhaft verstümmelt zu sehen, das kann einen Mann arg mitnehmen.«
»Aber gerade dafür ist er viel zu ruhig, finde ich!«
»Ach Gerald, es kann nicht jeder ein junger Hitzkopf sein!«
»Wie ich?« Der Schmied bedachte Hannes mit einem schiefen Lächeln.
Der Wirt erwiderte es erleichtert.
»Trotzdem«, sagte Gerald nach einer Weile, in der sie schweigend nebeneinander hergegangen waren. »Was weißt du über Rigbert? Ich werde nicht schlau aus ihm. Wie stand er zu seinem Bruder?«
Hannes spielte mit seinem Gürtel. »Wie Brüder eben zueinander stehen. Mal besser, mal schlechter.« Er sah Geralds Blick und zuckte die Achseln. »Ich glaube, Rigbert hat immer ein wenig damit gehadert, dass der Graf Reinmar als Verwalter eingesetzt hat, und ihn, den Älteren, nur als Stallmeister.«
»Hat er das gesagt?«
»Nicht so direkt. Aber nach ein paar Bechern Bier hat er gern von früher geredet, als sie gleichgestellt zu Udalrichs Gefolgschaft zählten. Bis zu dem Feldzug gegen die Ungarn.«
»Rigbert war wirklich dabei?«
Hannes warf Gerald einen mitleidigen Blick zu. Er wusste, dass der Ungarnfeldzug ein schmerzhaftes Thema für Gerald war, der in jungen Jahren nach Bregenz geflohen war, um sich dem Grafen nicht anschließen zu müssen. Udalrich hatte dem jungen Mann zwar verziehen, aber die Erinnerung fraß an Gerald. »Ja«, sagte er mit ungewohnter Sanftheit. »Er und Reinmar sind damals mit dem Rest der Truppe zurückgekommen. Du hast den letzten Verwalter ja noch kennengelernt. Er
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