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Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)

Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Erwin
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zwölfe!« Die Rufe der Leute wurden lauter, je näher sie kamen.
    »Schneller!«, befahl Gerald, während er sich über den Hals des Pferdes beugte, um so besser das Gleichgewicht zu halten. Doch weiter kam er nicht. Die Gasse, die zum See führte, war von Menschen verstopft. Rigbert schwang sich aus dem Sattel und warf einem Jungen die Zügel zu. Dann bahnte er sich seinen Weg durch die Menge, die unentwegt »zwölfe, zwölfe« skandierte. Gerald drängte sich an seine Seite. »Wo ist Reinmar? Und was macht der Pfaffe da?«
    Er starrte den schmächtigen Mann an, der mit ausgebreiteten Armen vor dem Lagerhaus stand. Seine Lippen bewegten sich, doch was er sagte, wurde von dem wütenden Sprechchor verschluckt. An seiner Seite stand Eberhard mit entblößtem Schwert und verkniffenem Gesicht. Er stieß die letzten Schreihälse beiseite und rannte auf den jungen Kriegsknecht zu. »Verdammt, Eberhard, was ist hier passiert? Wo ist Reinmar? Warum sorgt er nicht für Ordnung?«
    Eine Mischung aus Erleichterung, Wut und Entsetzen zog in rascher Folge über Eberhards Gesicht. »Gott sei Dank, dass du da bist. Reinmar ist tot!«
    Gerald wurde blass. »Tot?«, wiederholte er.
    »Ja, tot!«, schrie eine Frau aus der Menge. »Und wir wissen, wer es war. Die Freunde von dem Saukerl da drin!«
    Gerald drehte sich verwundert zu Eberhard um. »Freunde von Wulfhard?«
    Der Kriegsknecht zuckte die Achseln. »Wulfhard hat in den letzten Tagen immer wieder gedroht, dass seine Freunde ihm helfen werden. Ich hab ja bisher nichts auf das Geschwätz gegeben, aber nun …« Er machte ein hilfloses Gesicht und brach ab.
    Gerald presste die Lippen aufeinander. Er warf einen raschen Blick auf Rigbert, der mit versteinertem Gesicht dastand und auf den Boden stierte. Die Adern in seiner Stirn pulsierten.
    »Wo ist Reinmar?«
    »Unten am See. Ein Fischerjunge hat die Leiche gefunden. Wir haben sie nicht hergebracht, weil … weil …« Hilflos rang Eberhard nach Worten.
    Gerald schüttelte ungeduldig den Kopf. »Und er?« Er zeigte auf Wulfhards Gefängnis. »Weiß er, was passiert ist?«
    »Dass Reinmar tot ist, meinst du? Keine Ahnung, was man da drin hören kann. Wieso?«
    »Weil er es gleich erfahren wird«, zischte Gerald. »Und dann werden wir ja sehen, wie er reagiert. Rigbert, wollt Ihr dabei sein?«
    Der ältere Mann schien aus einer Trance zu erwachen. Er hob den Kopf, blinzelte und nickte. Sein Gesicht sah aus, als habe er immer noch nicht ganz begriffen, was passiert war.
    Gerald schob den Pfaffen beiseite und betrat das Lagerhaus. Er brauchte eine Weile, ehe er sich an das matte Dämmerlicht gewöhnt hatte. Aus den Augenwinkeln sah er eine Bewegung. Er drehte sich um und erkannte den Gefangenen. Mit ein paar Schritten war der Schmied bei ihm, packte ihn und riss ihn hoch, so weit der Strick, der Wulfhards Hände an den Balken fesselte, es erlaubte. »Nun gut! Wer sind deine Freunde? Rede!«
    Zuerst glaubte Gerald, echte Fassungslosigkeit in dem zerschlagenen, abgemagerten Gesicht zu erkennen, dann erschien ein kaltes Funkeln in Wulfhards Augen. »Welche Freunde?«
    »Die, mit denen du dich dauernd brüstest. Hör zu, Reinmar ist ermordet worden! Wenn es jemand war, den du kennst, hast du noch ein Menschenleben auf dem Gewissen. Hast du geglaubt, dass dich das rettet?« Er ließ Wulfhard auf den Boden fallen und durchtrennte den Strick, der ihn an den Balken fesselte. »Auf die Füße, du Mörder. Du sollst dir dein neues Opfer mit eigenen Augen ansehen.«
    »Da raus?« Wulfhard wich zurück. »Die reißen mich in Stücke.«
    Gerald packte ihn an der Schulter und stieß ihn vorwärts. »Vielleicht. Und ich werde dir keine Träne nachweinen. Oder willst du erst mit ihm abrechnen, Rigbert?«
    Der Stallmeister warf Gerald aus geröteten Augen einen seltsamen Blick zu und schüttelte den Kopf.
    »Dann los.«
    Die Menge empfing die drei mit einem wüsten Gemisch aus Flüchen und Beschimpfungen.
    »Ruhe!«, brüllte Gerald. In seinem Gesicht war ein Ausdruck, der die Menschen dazu bewog, leiser zu werden. »Ich bringe diesen Mann jetzt zu Reinmar. Vielleicht überzeugt ihn das davon, sein neues Verbrechen zu gestehen.«
    »Die Wunden des Toten werden wieder aufbrechen!«, rief eine vereinzelte Stimme aus der Menge.
    Gerald packte Wulfhard am Ellenbogen und zerrte ihn vorwärts. Der Gefangene hatte jede Gegenwehr aufgegeben. Im grellen Licht bot er einen beinahe erbarmungswürdigen Anblick. Der Kittel, den er trug, war bereits wieder

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