Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
wartete, bis die Schritte verhallt waren, danach wischte er seine feuchten Handflächen an seinem Wams ab und betrat den Kerkerraum. Langsam schob er die Fackel in die eiserne Halterung und sah sich nach dem Gefangenen um. Er wusste, was Folter und Hunger aus einem Mann machen konnten, dennoch war es ihm, als fasse eine kalte Hand nach ihm, während er Wulfhard betrachtete.
»Du hast mir etwas zu sagen?«
Wulfhard sah aus müden Augen auf. Das Lächeln, das sein Mund zu formen versuchte, fiel in sich zusammen, als er den Grafen erkannte. »Ja, Herr.« Er stemmte sich mit übermenschlicher Anstrengung an der Wand hoch.
Udalrich zuckte beim Anblick der Ketten unmerklich zusammen. Er fühlte den Schweiß über seinen Rücken rinnen, während die Stimmen der Erinnerung lauter flüsterten. »Du sagst, du weißt, wer mich töten wollte?«
»Ja, Herr.«
»Dir ist jetzt etwas eingefallen, was die Folter dir nicht entlocken konnte?«, fragte Udalrich rau. »Halt mich nicht zum Narren. Ich weiß, wozu die Peitsche einen Mann bringt.«
»Ich habe gesagt, dass ich die Gesichter jener Männer nie gesehen habe, und das ist die Wahrheit. Aber heute bin ich einem Mann begegnet, der auf einem prächtigen Rappen mit einer weißen Zeichnung auf der Hinterhand saß. Herr, mit Pferden kenne ich mich aus. Und dieses habe ich oft genug versorgt, wenn der Junker sich mit seinen Freunden traf. Ich schwöre, dieser Mann ist hier.«
»Hier in Konstanz?«
»Besser!« Die alte Frechheit blitzte in Wulfhards Augen auf. »Hier im Sitz des Bischofs.«
Trotz des Gestanks, der von dem Gefangenen ausging, trat Udalrich dicht an ihn heran und blickte direkt in sein abgemagertes Gesicht. »Warum erzählst du mir das? Du bist zum Tode verurteilt. Was hast du zu gewinnen?«
Etwas in Wulfhards schmutziger Wange zuckte. »Alles.«
»Oder nichts.«
Wulfhard hob die Schultern.
Sekundenlang waren nur das Zischen der Fackel und Udalrichs schwerer Atem zu hören. »Vielleicht war es wirklich Gottes Wille, dass du in Buchhorn nicht gestorben bist. Vielleicht hatte Reinmars Tod einen Sinn.« Der Widerhall warf seine Stimme verzerrt zurück. »Ich muss darüber nachdenken. Du wartest hier.«
»Ja, das werde ich wohl«, brummte Wulfhard, aber der Graf hörte ihn schon nicht mehr.
H
Udalrich war nicht überrascht, Salomo nicht allein anzutreffen. Am Fenster stand Eckhard. Der Mönch verbeugte sich ehrerbietig, ehe er wieder in statuenhafte Starre verfiel. Udalrich nickte ihm kurz zu und warf sich in einen Stuhl. »Es ist dieser verdammte Welfe, Ottmar!«, rief er.
Eckhard sah Salomo fragend an. Der hob die Augenbrauen und musterte seinerseits Udalrich. Da niemand etwas sagte, ergriff Salomo endlich das Wort: »Du hältst Wulfhard demnach für glaubwürdig.«
»Ja! Es passt alles zusammen!«
Salomo seufzte. »Also war es Gottes Vorsehung, dass Wulfhard nach Konstanz gekommen ist. Jetzt allerdings liegt die Sache in der Hand des Herzogs. Und ich weiß leider, dass er nichts gegen das welfische Haus unternehmen wird. Er braucht die Unterstützung jedes Grafen, um gegen Rudolf von Burgund Stärke zeigen zu können. Er kann es sich einfach nicht leisten, mit Ottmars Familie zu brechen.«
Der Graf ballte seine Rechte zur Faust. »Dann soll der König entscheiden!«
Salomo schüttelte milde den Kopf. »Heinrich hat momentan andere Sorgen. Du kannst froh sein, wenn er dir deinen Willen lässt, von der Vergangenheit zu schweigen.«
»Ihr spielt auf die Ungarn an?«
Eckhard trat einen Schritt ins Licht. »Angenommen, die Welfen haben Verbindungen zu den Ungarn …«
»Eckhard, du redest Unsinn!«
Eckhard lächelte dünn. »Drücken wir es so aus: Angenommen, der König glaubt das.«
Salomo schüttelte den Kopf. »Heinrich ist alles andere als dumm. Nein, schlagt euch das aus dem Kopf, alle beide.«
Der Graf presste die Lippen aufeinander und rieb seine Handflächen mit einem hässlichen Geräusch über das Holz der Armlehnen, aber Eckhards Lächeln vertiefte sich. »Es wäre dennoch interessant zu sehen, wie Ottmar auf den Gefangenen reagiert, vor allem in Gegenwart des Königs. Burchard würde sich jeder Entscheidung Heinrichs beugen, gerade in seiner jetzigen Situation.«
»Und deine Eitelkeit wäre auch befriedigt. Die Welfen, die du nicht hast überführen können, wären doch noch bloßgestellt«, sagte Salomo mit einem leichten Lächeln. Er stützte das Kinn auf die gefalteten Hände und dachte nach. »Andererseits haben wir auch
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