Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
hatte Haltung von ihm gefordert, aber der junge Mann bemerkte die Zornesadern in den Schläfen seines Herrn. »Heilige Muttergottes«, betete er stumm. »Hilf mir!«
Wieder war es der alte Mann, der das Schweigen brach. »Steh auf, junger Freund«, befahl er. »Du heißt Eberhard, nicht wahr?«
»Ja, Herr«, antwortete der mit schwankender Stimme.
»Und du weißt, wer ich bin? Sprich frei.« Wieder tanzten heitere Irrlichter in den grauen Augen. »Niemand zürnt, wenn du es nicht weißt.«
»Ihr … Ihr seid der Fürstbischof«, flüsterte Eberhard und stand unbeholfen auf.
Salomo lachte leise. »Das ist richtig.« Er kehrte zu seinem Stuhl am Fenster zurück und ließ sich mit einem Ächzen hineinfallen. »Und nun berichte, was dich nach Konstanz führt.«
»Ja, Herr.« Eberhard machte ein paar Schritte vorwärts, bis das kurzsichtige Blinzeln, das er von seiner Mutter kannte, sich legte. Sein scheuer Blick streifte Udalrich, aber das Gesicht des Grafen war immer noch dunkel vor Wut. Stockend berichtete er von den Morden an Reinmar und der Magd und von dem Aufruhr in Buchhorn.
»Und warum hast du diesen verdammten Verräter wieder hergeschleppt?«
Eberhard zuckte zusammen und zwang sich, dem Grafen ins Gesicht zu sehen. »Gerald … der Schmied … er meint, er würde sonst einfach getötet, obwohl der Pfaffe sagt, das sei nicht recht. Sie wollten ihn in seinem Gefängnis verbrennen.«
Udalrich stieß ein Schnauben aus und wandte sich ab. Salomo musterte ihn streng. »Der junge Gerald hat ganz richtig gehandelt, Udalrich«, sagte er. »Der Mord ist schlimm, aber einen Menschen deswegen zu verbrennen, ist auch eine Sünde.«
»Und ob der Mord schlimm ist! Reinmar hat Seite an Seite mit mir gekämpft!« Hilflos ballte Udalrich die Hände. Er warf sich in einen Stuhl und starrte vor sich hin. »Abgeschlachtet und verstümmelt!«
Salomo legte ihm leicht die Hand auf die Schulter und ließ sie dort liegen, während er sich wieder an Eberhard wandte: »Du siehst erschöpft aus. Lass dir etwas zu essen geben und ruh dich aus, ehe du heimreitest.«
»Ja, Herr, danke.« Eberhard zögerte.
»Ist noch etwas?«
»Der Verurteilte … Wulfhard … er hat mir noch etwas gesagt, bevor er weggebracht wurde. Er sagte, es sei wichtig.«
»Ach«, höhnte Udalrich. »Auf der Folter wusste er nichts, und jetzt will ihm etwas eingefallen sein?«
»Verzeiht, Herr, ich weiß, es klingt unglaubwürdig.« Eberhard hatte das Gefühl, dass er auf der Stelle hätte einschlafen können. Wulfhards beschwörender Blick und Udalrichs zornige Augen vermischten sich in seiner Vorstellung zu einem Basiliskenblick.
»Sprich trotzdem«, forderte Salomo ihn auf, während seine altersfleckige Hand ihren Druck auf Udalrichs Schulter verstärkte.
Eberhard straffte sich mit letzter Kraft. »Wulfhard hat gesagt, er wisse, wer Euch, Herr, töten wollte.«
Udalrich sprang auf die Füße und packte Eberhard an der Schulter. »Das hat er gesagt?«
»Ja, Herr.«
»Wer ist es?«
»Das … das weiß ich nicht.«
»Geschwätz eines Verräters!« Der Graf ließ ihn so heftig los, dass Eberhard taumelte. Ängstlich schaute er von seinem Herrn zum Bischof und wieder zurück. Salomos Gesicht war so plötzlich ernst geworden, dass der junge Mann glaubte, einen anderen Menschen vor sich zu haben.
»Vielleicht ist es wirklich das Geschwätz eines Verräters«, sagte der Fürstbischof, »aber du musst der Sache auf den Grund gehen, Udalrich!«
»Du meinst, ich soll ihn herbringen lassen?« Die Stimme des Grafen bebte. »Hierher?«
Eberhard dachte an den stinkenden Gefangenen und verzog das Gesicht.
»Nein«, entgegnete Salomo ernst. »Das ist eine Sache, in der du kein Aufsehen erregen möchtest. Geh zu ihm und finde heraus, was er weiß.«
»Niemals!« Udalrich verschränkte die Arme. Sein Gesicht war sehr weiß geworden.
»Udalrich! Er ist der Gefangene, nicht du! Schließ ab mit der Vergangenheit und geh.«
In den Bruchteilen von Sekunden, die der Blickwechsel zwischen Udalrich und Salomo dauerte, wurden die vielfältigsten Botschaften ausgetauscht, und obwohl Eberhard keine davon verstand, war er nicht überrascht, als der Graf sich mit einem Seufzer entspannte. »Du hast gewonnen. Ich gehe.«
H
Udalrich zwang sich, gleichmäßig zu atmen, während er dem Reisigen folgte, der ihm mit einer Fackel den Weg ausleuchtete. Am Fuß der Treppe blieb er stehen, ließ sich von dem Mann die Fackel geben und schickte ihn fort. Er
Weitere Kostenlose Bücher