Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
nichts zu verlieren. Ich werde mit Heinrich sprechen. Wenn ihm der Fall wichtig genug erscheint, dann soll es so sein.«
»Und danach werde ich sofort nach Buchhorn zurückkehren.«
»Wir wollen nichts überstürzen. Udalrich, in welchem Zustand befindet sich Wulfhard?«
»Er stinkt erbärmlich!«
»Eckhard, du wirst veranlassen, dass er gewaschen wird und saubere Kleidung erhält. Lass ihm auch die Ketten abnehmen. Wir wollen dem König einen Menschen vorführen, kein verwahrlostes Tier. Und hör dich weiter um, ob du etwas über den Anschlag auf den König herausbekommen kannst.«
»Ja, Herr.«
»Lasst mich jetzt allein. Ich bin ein alter Mann und brauche meine Ruhe.«
Nachdem die beiden das Gemach durch verschiedene Türen verlassen hatten, lehnte Salomo sich zurück und blickte hinaus auf den Platz, das Münster und die Häuser. In den letzten Wochen fühlte er immer häufiger eine bleierne Müdigkeit in den Knochen, während sein Geist nach wie vor rastlos arbeitete. Er griff nach dem Becher, der auf seinem Tisch stand, und ließ den schweren Wein über die Zunge rollen.
Ein leises Klopfen schreckte ihn auf. Ein Mönch trat ein und flüsterte ihm ein paar Worte ins Ohr. Salomo lächelte. »Natürlich. Schick sie herein.«
Er schob den Krug zurück und sah der Gräfin von Buchhorn freundlich entgegen. Wendelgard blieb in der Tür stehen und senkte den Kopf. Ihr helles Kleid und der Schleier, der ihr Haar bedeckte, verliehen ihr einmal mehr das Aussehen einer sehr viel jüngeren Frau. Erst als sie näher trat, wurden die zarten Falten um Augen und Mund sichtbar.
»Setz dich doch, Wendelgard.« Der Bischof zeigte auf den Stuhl, auf dem eben noch Udalrich gesessen hatte.
Wendelgard folgte seiner Aufforderung und faltete die Hände im Schoß. Sie saß nahe genug, dass Salomo das Zittern ihrer Unterlippe erkennen konnte.
Er beugte sich vor. »Ich freue mich, dich zu sehen, Wendelgard. Ich hoffe, deine Kinder sind wohlauf.«
Die Frage zauberte ein Lächeln auf ihr angespanntes Gesicht. Sie nickte lebhaft. »Es geht ihnen gut. Sie werden nur viel zu schnell erwachsen. Udalrich ist fast schon ein junger Mann mit seinen elf Jahren. Jedenfalls glaubt er das. Ich bin so froh, meine Kinder wiederzuhaben. Und meinen Mann.« Das Beben ihrer Lippen kehrte zurück.
Salomo nahm ihre gefalteten Hände in die seinen. »Und warum habe ich bei all diesem Glück das Gefühl, dass unter der Oberfläche ein Orkan schlummert, der den Bodensee erschüttern könnte?«
Rote Flecken erblühten auf ihrem Hals. »Udalrich will zurück nach Buchhorn. Ohne mich und die Kinder. Er sagt, er müsse nach dem Rechten sehen, er müsse den Mann bestrafen, der seinen Gefolgsmann getötet hat. Aber der ist tot! Ich lebe, und trotzdem bin ich weniger wichtig für ihn!« Sie spürte den Druck seiner Hand und senkte ihre Stimme beschämt. »Ich will nicht, dass er geht! Ich will nicht!«
»Spricht so eine Frau, die jahrelang als Inkluse gelebt hat?«, fragte Salomo ernst.
Wendelgard schüttelte verzweifelt den Kopf. »Aber ich bin keine Inkluse mehr. Ich bin wieder Udalrichs Frau, und ich will an seiner Seite sein. Wir haben so viele Jahre verloren. Manchmal glaube ich, dass ich ihn ganz neu kennenlernen muss. Wenn ich die Narben auf seinem Körper sehe, habe ich Angst.« Unter den Wimpern hervor warf sie Salomo einen scheuen Blick zu. »Ist das schlimm?«
Er strich ihr stumm über die Wange. Sein Nicken forderte sie auf weiterzusprechen.
Sie blinzelte eine Träne weg. »Ich bin eine schlimme Sünderin, Salomo. So schlimm, dass ich es gar nicht aussprechen kann.«
»Versuch es!«
»Ich bin nicht traurig über Reinmars Tod!« Unter dem beherrschten Tonfall zitterte ungehemmte Leidenschaft. »Udalrich soll endlich die Möglichkeit bekommen zu vergessen, was geschehen ist. Und jedes Mal, wenn er Reinmar gesehen hat, hat er an Ungarn gedacht, an den Krieg, an die Gefangenschaft, und alles ist düster geworden.« Sie schlug die Hände vor das Gesicht. »Oh Salomo, ich weiß, dass ich ein schlechter Mensch bin, du brauchst es mir nicht zu sagen.«
»Du bist nicht schlecht, mein Kind, nur leidenschaftlich und gedankenlos. Bete, dass der Versucher nicht die Oberhand gewinnt.« Er wartete, bis ihr Schluchzen sich gelegt hatte, dann hob er sanft ihr Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. »Du willst, dass dein Mann mit der Vergangenheit abschließt. Dann musst du ihn darin unterstützen, seine Pflichten wieder wahrzunehmen. Und zu seiner
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