Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
der Wunsch des Grafen! Während er sich von Bernulf auf die Füße zerren ließ, versuchte er, in dem Gesicht des zweiten Soldaten zu lesen. Es wirkte unbeteiligt, aber Wulfhard glaubte, eine Spur von Missbilligung darin zu erkennen, die nicht ihm galt.
»Ich denke, der Herzog will dich persönlich aufschlitzen, Verräter!«
»Lass das Denken, Bernulf, es bekommt dir nicht!«
Bernulf holte aus, ließ aber den Arm sinken, weil sein Begleiter ein scharfes »Halt« ausstieß. »Du kennst die Befehle!«
Wulfhard drehte sich um. »Befehle? Dann denke ich mal – und ich kann das – dass meine Gebete erhört worden sind. Also, wohin sollst du mich bringen? Lass mich raten, zum Grafen von Buchhorn?«
Bernulf stierte ihn mit hervorquellenden Augen an.
Wulfhard hob seine Hände, dass die Ketten sich spannten. »Hab ich recht?«
»Genug jetzt!«, befahl der andere Soldat mit der gleichen ruhigen, befehlsgewohnten Stimme. »Wir haben Anweisungen und die werden wir ausführen. Oder siehst du das anders, Bernulf? Und was dich angeht«, er wandte sich an Wulfhard, der automatisch in Abwehrhaltung ging, »du tust dir selbst einen Gefallen, wenn du den Mund hältst und tust, was man dir sagt!«
»Und was sagt man mir?«
Etwas wie Belustigung zuckte um den harten Mund des Mannes. »Geh vor, Kerl! Wir bringen dich in die Schmiede.«
Mit den festen Schritten und den wütenden Atemzügen Bernulfs im Rücken schleppte sich Wulfhard die enge Treppe hinauf. Oben überholte der Offizier ihn und zerrte ihn an den Ketten durch einen Durchlass in die Schmiede, die zum Anwesen des Fürstbischofs gehörte. Es roch nach Holzkohle und Ruß. Wulfhard war froh, dass der Schmied keinerlei Ähnlichkeiten mit Gerald aufwies. Er war ein älterer Mann mit schütterem Haar und blassblauen Augen. Nur die Muskeln seiner Oberarme wölbten sich ähnlich wie die des jungen Buchhorners. Sein Blick ging durch den Gefangenen hindurch. Er musterte die Ketten mit professionellem Interesse, nickte vor sich hin und griff nach einem Hammer. »Stell den Fuß auf den Amboss und halt still!« Er hatte die raue Stimme eines Mannes, der nicht viele Worte machte. Ein Hammerschlag, und der Bolzen sprang aus der rechten Fußschelle. Ein weiterer Schlag, und Wulfhards Beine waren frei. »Hände da drauf.« Er klopfte mit dem schmutzigen Zeigefinger auf den Amboss.
Nachdem Wulfhard gehorcht hatte, zischte Bernulf: »Hau nur einmal daneben, Schmied!«
Der musterte den Soldaten eisig. »Ich schlag nie daneben!«, knurrte er und befreite Wulfhard mit zwei sicheren Schlägen von den Ketten.
Wulfhard schloss die Augen und tastete vorsichtig über das wunde Fleisch seiner Gelenke. »Und jetzt«, sagte er, ohne sich zu bewegen, »solltest du anfangen zu rennen, Bernulf.«
»Keine Dummheiten!« Der zweite Soldat legte ihm schwer die Hand auf die Schulter. »Komm!« Er führte Wulfhard zu den Unterkünften der Wachsoldaten und öffnete eine Tür. Überrascht sah Wulfhard einen Wasserzuber und saubere Kleider auf einer Pritsche. Er streckte die Hand aus und berührte mit den Fingerspitzen das Messer, das zuoberst lag.
»Damit rasierst du dich«, sagte der Soldat. In seiner Stimme lag eine Mischung aus Warnung und Belustigung. »Zu etwas anderem taugt es ohnehin nicht. Und jetzt beeil dich!« Er schloss die Tür und ließ Wulfhard allein. Der brauchte ein paar Sekunden, ehe er sich aus seiner Erstarrung löste. Dann riss er die stinkenden Lumpen herunter und schleuderte sie in eine Ecke, tauchte die Hände in das Wasser und trank gierig. Erst als sein Durst gestillt war, machte er sich daran, den Schmutz der letzten vier Monate von seinem Körper zu waschen. Das Wasser brannte in den verschorften Peitschenstriemen, die die Folter auf seinem Rücken hinterlassen hatte. Vorsichtig reinigte er seine Gelenke, damit sie sich nicht entzündeten. Weiter wagte er nicht zu denken. Er streifte Hose und Wams über und griff nach dem Rasiermesser.
Als er draußen Stimmen hörte, schrak er zusammen und lauschte.
»Er wäscht sich gerade«, sagte sein Bewacher respektvoll.
»Öffne, ich habe dem Verräter etwas zu sagen!«
Atemlos fixierte Wulfhard die Tür. Im letzten Moment fiel ihm ein, dass er das Messer in der Hand hielt. Er warf es auf die Pritsche und wich zurück. Die schmale Tür schwang auf und gab den Blick auf einen hünenhaften Mann in vornehmer Kleidung frei. Seine stechenden Augen richteten sich auf Wulfhard, der sofort auf die Knie fiel und den Kopf
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