Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
ihm aufs Pferd zu helfen.
»Und die Leiche?«
»Lasst sie liegen!«, knurrte Heinrich. »Sollen sich die Tiere daran gütlich tun!«
Noch einmal beugte sich Udalrich über den Toten. Unter dem Blut glaubte er das Gesicht eines jungen Mannes auszumachen.
»Udalrich!«
Er fuhr herum und hatte gerade noch Zeit, Wendelgard aufzufangen, die sich ihm in die Arme warf. In ihrem Gesicht las er Sorge, Liebe und fassungslose Angst. Er sah die Tränenspuren und vergrub das Gesicht in ihrem Haar, als ob sein Duft ihn retten könnte.
II
»Der König bittet Euch zu einer Unterredung, Herr.«
»Er bittet mich, soso.« Bischof Salomos spröde Lippen kräuselten sich. »Ich nehme an, es ist nicht ratsam, ihm diese Bitte abzuschlagen. – Schon gut, ich werde selbstverständlich kommen!«, unterbrach er den Diener, der den Mund zu einer hastigen Erklärung öffnete. Er erhob sich mühsam; das Alter machte sich inzwischen unbarmherzig bemerkbar. Umso wichtiger war es ihm, den Schein zu wahren, während er dem Mann zu den Gemächern folgte, die Heinrich bezogen hatte. Er spürte die Anspannung, die über dem Bischofssitz lag, in jeder Faser seines Körpers. Verstohlene Blicke, zusammengesteckte Köpfe und immer wieder das Wort ›Mord‹. Die Jagdgesellschaft war noch keine Stunde zurück, und schon gab es niemanden mehr, der nicht jede Einzelheit über das Attentat zu kennen glaubte. Salomo brannte darauf zu erfahren, was Eckhard herausgefunden hatte. Doch der Diener ließ ihm keine Zeit zu weiteren Grübeleien. Salomo registrierte mit einem Hauch von Ärger über seine eigene Schwäche, wie sein Puls sich beschleunigte, als die Tür geöffnet und sein Name genannt wurde. Dann gab der Diener den Blick frei. Bischof Salomo verneigte sich, nicht zu tief, aber wer konnte es einem alten Mann übel nehmen, wenn sein Rücken sich nicht mehr so leicht beugen ließ? Seine grauen Augen wanderten forschend über Heinrichs verschlossenes Gesicht.
»Gott mit Euch, Heinrich, König aller Stämme«, sagte er förmlich.
Heinrich nickte mit einem flüchtigen Lächeln, das aufblitzte und sofort wieder verschwand, und deutete auf einen Stuhl. »Setzt Euch, Bischof von Konstanz. Ich danke Euch, dass Ihr meiner Bitte um ein Gespräch so prompt nachgekommen seid. Ich hätte Euch den Weg unter anderen Umständen erspart, aber Ihr seht selbst, dass meine Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist.« Er klopfte mürrisch auf sein verbundenes Bein.
»Ich hoffe, es ist nichts gebrochen.«
»Nur ein verstauchter Knöchel. Der Herr war mit mir.«
»Das war er in der Tat.« Durch das Fenster konnte Salomo die Umrisse des Konstanzer Münsters erkennen. Er faltete die Hände im Schoß und sah dem König ruhig ins Gesicht. »Und wie soll es nun weitergehen?«
»Wie meint Ihr das?« Heinrichs Stimme klang lauernd.
Salomo unterdrückte einen Seufzer. »Lasst uns offen sprechen, mein Herr und König. Ihr seid nur durch ein Wunder einem Anschlag auf Euer Leben entkommen. Das legt den Verdacht nahe, dass es Kräfte gibt, die die Einigung des Reiches, die Ihr anstrebt, verhindern wollen. Was wollt Ihr also unternehmen?«
Heinrich lehnte sich in seinem Stuhl zurück und trommelte sacht mit den Fingerkuppen auf die Lehne. Schließlich lächelte er kühl. »Nichts.«
Salomo hob leicht die Augenbrauen.
»Nichts«, wiederholte der König und beugte sich vor. »Die ganze leidige Angelegenheit ist nie passiert. Meine Männer haben Anweisung zu schweigen und zu vergessen, und ich erwarte, dass Ihr für die Euren garantiert. Ihr habt es selbst gesagt, ich habe ein Reich zu einen. Und ich will keinen Krieg!« Bei den letzten Worten war seine Stimme lauter geworden.
Zum ersten Mal bemerkte Salomo die Linien der Erschöpfung, die sich um Heinrichs Augen und Lippen eingegraben hatten. Er nickte langsam.
»Teilt Ihr meine Meinung nicht?«, fragte Heinrich scharf.
»Im Gegenteil, ich halte dies für einen überaus weisen Entschluss. Und natürlich habe ich keinen Zweifel, dass Eure Männer sich an Eure Befehle halten werden, dennoch …« Heinrichs Augen verengten sich zu wütenden Schlitzen. Der Bischof fuhr unbeeindruckt fort: »Dennoch würde mich interessieren, ob Ihr einen bestimmten Verdacht hegt. Dieser Anschlag ist auf meinem Grund und Boden verübt worden, und deswegen fühle ich mich für das Geschehene verantwortlich.«
»Schwäbischer Grund und Boden«, ergänzte der König, ohne Salomo aus den Augen zu lassen. »Und die schwäbischen Adligen lieben mich, den
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