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Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)

Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Erwin
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kommen.
    Mit dem Sonnenaufgang im Rücken bot der Stallmeister ein beeindruckendes Bild. Dicht vor Gerald blieb er stehen und hob die geballte Faust. »Wo sind die Spielleute?«
    »Weg«, sagte Gerald und verschränkte die Arme. »Ich hab sie gehen lassen!«
    »Gehen lassen?«, brüllte Rigbert. »Diese verdammten Mörder! Und was ist das, dass dieser … dieser Wulfhard … der kann sich gleich wegscheren. Und dem Grafen …« Er brach ab, um zu Atem zu kommen.
    Gerald ließ einen ironischen Blick über das zerzauste Haar und das feine, aber ungegürtet flatternde Leinenwams des Stallmeisters wandern. »Ich habe die Spielleute gehen lassen, weil sie nicht die Mörder Eures Bruders sind. Wulfhard wurde gestern von genau diesem Mörder überfallen und beinahe getötet.«
    »Nur beinahe? Schade! Wo ist der Kerl jetzt?«
    »Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, hat er meine Stute versorgt. Ich würde vorschlagen, dass Ihr ihn in den nächsten Tagen etwas weniger hart anfasst, er hat eine ganze Menge abbekommen.«
    »Das ist kein Kloster, und wenn er nicht tot ist, kann er arbeiten! Sagt ihm das, wenn Ihr ihn seht!«, brüllte Rigbert über die Schulter in den Stall, in dem allmählich das Leben erwachte. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Gerald zu. »Schon gefrühstückt, Schmied?«
    Der schüttelte den Kopf.
    »Folgt mir in die Küche. Ich hab Hunger.«
     
    Nachdem die Schritte der beiden Männer verklungen waren, war sekundenlang nur das Schnauben der Pferde zu hören, plötzlich zerriss ein leiser Pfiff die friedliche Stille. Im hinteren Teil des Stalls raschelte es. Wulfhard erhob sich aus seinem Versteck, schüttelte sich das Stroh aus den Haaren und tippte in einer spöttischen Dankesgeste zwei Finger an die Stirn.
    Ein magerer Stalljunge erwiderte den Gruß und kam näher. »Und du bist wirklich von Reinmars Mörder verwundet worden?«
    Statt einer Antwort hob Wulfhard seinen blutigen Kittel und gestattete dem Jungen, den Verband zu bestaunen. Sogar ein paar der älteren Knechte schauten neugierig herüber.
    »Aber tot ist er nicht, oder?«
    Wulfhard zuckte die Achseln. »Verwundet hab ich ihn jedenfalls. Stimmt das eigentlich? Rigbert sieht sich schon als neuer Verwalter?«
    Zunächst herrschte verlegene Stille, dann spuckte der Junge aus. »Der alte Leuteschinder! Er wirft mit dem Geld um sich und uns lässt er härter schuften denn je. Wenn ich du wär, würd ich ihm aus dem Weg gehen. Glaub nicht, dass der auf den Stich da Rücksicht nimmt.«
    Wulfhard nickte flüchtig, während er sich suchend umsah. »Wo ist der Falbe?«
    »Draußen. Der macht es nicht mehr lange. Darum wird er auch noch heute verkauft. Damit er nicht hier krepiert, und jeder sehen kann, dass Rigbert doch nicht so gut mit Pferden …«
    »Halt den Mund!«, unterbrach ein anderer barsch.
    Der Junge verstummte und beäugte Wulfhard mit plötzlichem Misstrauen. Der klopfte ihm auf die Schulter. »He, glaubst du wirklich, ich verrate dich? An Rigbert? Wo verschachert er das arme Vieh denn?«
    »Ich glaub, er geht immer zur Wasenmeisterei in Wasserburg. Aber genau kann ich es dir auch nicht sagen.«
    »Vielleicht sollte man dem Herrn Stallmeister mal auf den Zahn fühlen«, murmelte Wulfhard und tätschelte einem der Pferde die glänzende Flanke.
    »Lass das lieber«, mischte sich ein älterer Knecht ein. »Überlass das dem Grafen. Vielleicht spricht der ein Machtwort.«
    »Bei einem alten Kriegskameraden?« Ein zweiter Knecht lachte bellend auf. »Das glaubst du doch selbst nicht. Aber Gisbert hat schon recht. Misch dich da nicht ein.«
    Wulfhard entblößte seine Zahnlücke. »Vielleicht«, sagte er lässig und verließ unter den neugierigen Blicken der Männer den Stall.
    Draußen flammte der Sonnenaufgang in satten Lilatönen hinter der rissigen Wolkendecke hervor. Wulfhard legte den Kopf zurück und tastete nach dem straffen Verband, auf dem sich ein frischer Fleck abzeichnete. Er unterdrückte ein Aufstöhnen, als er sich aufrichtete und mit erhobenem Kopf über den Hof schlenderte. Aus der Küche dröhnte Rigberts Lachen. Wulfhard blieb stehen und starrte nachdenklich ins Leere. Plötzlich machte er auf dem Absatz kehrt und betrat das Gesindehaus, wo die einfachen Knechte sich je zu zweit eine Kammer teilten, während die wenigen weiblichen Bediensteten in engen Stuben des Haupthauses schlafen durften. Auch Reinmar hatte hier sein Quartier gehabt.
    Ebenso wie sein Bruder.
    Wulfhard wusste nicht genau, was er zu finden hoffte.

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