Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
war nirgends zu entdecken. Nachdem Gerald einen Augenblick unschlüssig in der Mitte des Raums stehen geblieben war, nahm er eine Kerze und ging in den hinteren Teil des Gebäudes, wo Eckhards Zimmer lag. Leise pochte er an die Tür. »Ich bin’s, Gerald.«
»Komm herein!«
Gerald trat leise ein. »Gott zum Gruß, Eckhard. Wo ist der Kerl?«
Der Mönch erhob sich von den Knien und klopfte den Staub von seiner Kutte. »Du bist früh!« Er deutete auf einen Krug Wasser, der auf dem Fenstersims stand. »Bedien dich.«
»Danke. Ich konnte nicht schlafen.« Gerald setzte sich auf eine Truhe, die neben dem schmalen Bett das einzige Möbelstück darstellte, und nahm einen Schluck von dem eiskalten Wasser. »Mir geht zu viel im Kopf herum.«
»Wulfhard?«
»Auch.«
Eckhard wartete einen Moment, dann setzte er sich Gerald gegenüber. »Na, red schon!«
»Fridrun hätte ihn abweisen müssen! Es macht mich krank, dass meine Frau diesen Mörder angefasst hat.«
»Hätte sie ihn sterben lassen sollen?«
Gerald zuckte die Achseln.
Eckhard schüttelte den Kopf und beugte sich vor. »Freund! Vergebung ist ein Zeichen von Gottesfurcht. Deine Frau hat richtig gehandelt.«
»Aber er hat meine Eltern getötet!« Eckhard hob die Augenbrauen, und Gerald verzog das Gesicht. »Jedenfalls hat er sie nicht gerettet!«
»Hätte er das können?«
»Er hat die Mörder gedungen!«
»Hat er? Oder war es die Schuld dessen, der ihm den Befehl gegeben hat? Kannst du das wirklich entscheiden?«
Gerald knetete die Finger. »Sag einfach, was du mir sagen willst.«
Eckhard lächelte nachsichtig. »Dass alles in Gottes Hand liegt, Gerald. Ludowig ist tot, aber Wulfhard wurde verschont, weil der Herr eine Aufgabe für ihn hat.«
»Und daran glaubst du?«
»Von ganzer Seele! Wulfhard tut Buße, indem er uns hilft. Und er steht unter dem Schutz des Königs. Denk daran, wenn der Hass dich das nächste Mal übermannen will.«
Gerald biss sich auf die Unterlippe. »Ich will es versuchen«, murmelte er.
»Gut. Dann geh jetzt zu ihm. Er schläft nebenan.«
Gerald nickte und schloss die Tür hinter sich. Im Dunkeln tastete er sich weiter, bis seine Finger den Türrahmen zu fassen bekamen. Er trat mit der Fußspitze gegen das feste Holz. »Aufstehen!«
»Bin schon wach!«
Gerald hörte, wie der Riegel zurückgeschoben wurde, und drückte die Tür auf.
Wulfhard grinste ihm entgegen. »So früh schon auf, Schmied?«
»Solltest du nicht deine Wunde ausheilen lassen?«
»Die Behandlung Eurer Frau hat Wunder gewirkt.« Wulfhard reckte die Arme. »Ich bin so gut wie neu.«
»Das wird Rigbert gern hören«, sagte Gerald bissig. »Ich bin sicher, er hat gleich Arbeit für dich. Gehen wir!«
Wulfhard nahm das flackernde Binsenlicht vom Tisch und leuchtete den Weg durch das finstere Gebäude. In der Schankstube wäre Gerald beinahe ausgerutscht. Wulfhard unterdrückte im letzten Augenblick ein Lachen.
»Das war wohl noch ein fröhlicher Abend!«, bemerkte Gerald naserümpfend.
»Klar! Die Leute konnten gar nicht oft genug hören, wie ich dem Mörder entkommen bin. He, ich war der Held des Tages!«
Gerald fuhr zu ihm herum. »Held? Ein Mörder, der einen anderen Mörder in den Wald gejagt hat, das bist du. Und jetzt komm!« Er packte Wulfhard am Arm. Der sog pfeifend die Luft durch die Zähne und presste die Hand auf die Wunde.
Gerald musterte ihn verächtlich. »Stell dich nicht so an.«
»Schon recht. Muss ich laufen?«
»Nein.« Der Schmied öffnete die Tür und nickte zu dem angespannten Handkarren hinüber. »Hast Glück, der ist von den Spielleuten. Rein da.«
»Vornehm!« Wulfhard kletterte mühsam in den Karren und hockte sich mit angezogenen Knien hin. »Ganz schön eng hier. Hübsches Pferd übrigens.«
»Hab ich von Rigbert.«
»Sag bloß!« Wulfhard pfiff leise. »Rigbert und seine Gäule.«
»Was meinst du damit?«, fragte Gerald, während er sich auf den Rücken der Stute zog.
»Was ist mit dem Gaul? Ist sie alt oder krank?«
»Ich lass mir doch kein krankes Pferd andrehen!«
»Teuer?«
Gerald runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht«, antwortete er widerwillig. »Warum?«
»Weil diese braune Schönheit schon älter sein mag, aber sie ist sicher nicht billig! Da frag ich mich doch, was der Graf sagt, wenn er erfährt, dass sein Stallmeister seine Gäule unter Wert verkauft.«
»Dann finde halt eine Antwort. Du bist doch der Held.« Gerald trieb der Stute die Hacken in die Flanken, aber das
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