Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
Tier schnaubte nur.
Wulfhard seufzte laut. »Mein Gott, Schmied, das ist ein Schlachtross, kein Lastesel. Ein leerer Karren ist eine Sache, aber ich wiege ein bisschen was. Ihr müsst dem Tier zeigen, wer der Herr ist.«
Gerald trieb die Stute härter an, und schließlich setzte sie sich mürrisch in Bewegung.
»Seht Ihr«, ließ Wulfhard sich vernehmen. »Ich hab es Euch gesagt.«
Sie verließen Buchhorn Richtung Norden. Auf dem Weg glitzerten dünne Rinnsale im grauen Morgenlicht, Pfützen vereinigten sich zu kleinen Seen. Immer wieder platschte es unter den Hufen der Stute. Gerald fluchte. »Verdammter Regen.«
»Ich weiß nicht recht. Mir hat er das Leben gerettet.« Als der Schmied nicht reagierte, fuhr Wulfhard vorsichtig fort: »Ich habe in meinem Leben schon einige Kämpfe ausgetragen, aber den gestern hätte ich ohne Gottes Hilfe nicht gewonnen. Wäre da nicht dieses Geräusch gewesen, hätte das Schwein mich abgestochen.«
»Woher wusstest du eigentlich, dass ich in der ›Buche‹ bin?«, fragte Gerald unvermittelt.
Wulfhard blinzelte. »Aber das habe ich nicht gewusst.«
»Nicht? Du hast von mir Hilfe erwartet?«, entfuhr es Gerald ungläubig.
»Erstens hatte ich keine Wahl und zweitens …« Wulfhard zögerte. »Ihr hättet mich schon einmal ans Messer liefern können, aber Ihr habt es nicht getan, obwohl Ihr mich hasst. Ihr seid ein anständiger Mann.«
Gerald schwieg, nur sein Atem ging schwerer. »Und der Sohn eines anständigen Mannes«, brachte er endlich hervor.
Wulfhard strich mit den Fingerkuppen über seine verschorften Gelenke. »Ich kann es nur wiederholen: Der Junker hat mir befohlen, die Männer zu finden. Ich hab ihnen gesagt, sie sollen herausfinden, was nötig ist, und tun, was nötig ist. Ich habe nie gesagt, sie sollen töten.«
Gerald warf sich herum. »Und was hast du gedacht, dass sie tun?«, brüllte er. »Hast du auch nur einen Gedanken daran verschwendet?«
Wulfhard schwieg.
»Das ist auch eine Antwort.« Gerald richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Weg. Sein Tonfall war müde.
Wulfhard schloss die Faust um sein wundes Gelenk, bis er den Schmerz kaum noch ertragen konnte. »Ich habe mit Blut für meine Sünden bezahlt. Und heute Nacht hat der Herr mir gezeigt, dass er mir vielleicht vergibt.« Da Gerald stur auf den Weg starrte, der im Wald nur zu erahnen war, fuhr Wulfhard heftig fort: »Als sie mich aus Bregenz hierher geschafft haben, hab ich gedacht, es ist zu Ende. Aber dann hat es Reinmar erwischt. Und schließlich kam Konstanz, und wieder dachte ich, es wäre vorbei. Da hat mich Gott den Welfen sehen lassen, und siehe da, der König hat mich begnadigt. Gott hat etwas mit mir vor.« Wieder wartete er vergeblich auf Geralds Reaktion. Sein Tonfall wurde drängend. »Schließlich kam der blonde Engel, der …«
»Meine Frau? Die ist ganz sicher kein Engel!«
Wulfhard fuhr sich durch die Haare. »Ich wünschte, ich könnte Euch bitten, sie nicht für ihre Güte büßen zu lassen«, sagte er mit einem Anflug von Verbitterung. »Ich habe Euer Ehebett vollgeblutet, nicht sie!«
»Macht es das besser?«, fragte Gerald mit einem höhnischen Auflachen.
Wulfhard zuckte nur die Schultern.
Gerald trieb die Stute, die stehen geblieben war, weil sie den Druck der Schenkel nicht mehr gespürt hatte, erneut an. Eine Weile lauschte er den Vogelstimmen, die in der klaren Luft zu hören waren, und sah zu, wie die Ränder der Wolken sich zart verfärbten. Ganz allmählich verebbte das Singen seines Blutes. »Ihr sagt, dass alles vorherbestimmt ist, du und Eckhard. Vielleicht habt ihr recht. Aber mein Vater hat mir beigebracht, dass das, was aus einem Mann wird, von seinen Entscheidungen abhängt. Segnet Gott sie, sind sie gut, hat sie der Teufel eingegeben, bewirken sie Böses. Welche Entscheidung hast du getroffen?«
Wulfhard grinste matt. »Meine. Das habe ich immer getan.«
»Dann hoffe ich, dass Gott sie segnet. Wir sind noch nicht fertig miteinander, Wulfhard, aber ich werde mich nicht zwischen dich und die Vorsehung stellen.«
»Das klingt nach Waffenstillstand.«
»Nenn es, wie du willst.«
Die beiden Männer schwiegen. Das Anwesen tauchte aus dem Zwielicht auf und wuchs langsam zu einer beeindruckenden Silhouette heran. Die Stute trottete in den Hof. Nur ein einzelner Knecht blickte ihnen schläfrig entgegen.
Gerald sah zu, wie Wulfhard schwerfällig aus dem Karren kletterte. Er hielt die Hand an die Seite gepresst, trotz der Kälte war seine Stirn
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