Die Gauklerin von Buchhorn: Historischer Roman (German Edition)
dem es gestohlen worden ist.«
Hubert stemmte die Arme in die Seiten und maß Gerald mit einem unsicheren Blick. »Das ist ja interessant. Allerdings habe ich das Pferd gerade vom Verwalter des Grafen gekauft.«
»Rigbert ist Stallmeister, nicht Verwalter.« Geralds Stimme wurde schärfer. »Außerdem ist er ein Dieb, und das seid Ihr auch. Oder warum zahlt Ihr für ein krankes Pferd einen derart hohen Preis?«
»Ihr habt …«
»Zugesehen. In der Tat. Gebt mir das Pferd, dann lässt der Graf vielleicht Gnade vor Recht ergehen.« Er streckte die Hand aus.
Einen Herzschlag lang stand der Pferdehändler wie erstarrt da. Plötzlich wirbelte er herum. Als er sich wieder zu Gerald umdrehte, hielt er eine schwere Lederpeitsche in der Hand. »So nicht, Freundchen!«, rief er mit schriller Stimme, während er die Peitsche schwang.
Gerald verdrehte die Augen. »Das war ein Fehler!«, sagte er. Er packte den Riemen und riss daran. Hubert geriet ins Straucheln. Gerald nutzte die Gelegenheit und trat ihm die Beine weg. Als der Händler vor ihm lag, packte er den Griff der Peitsche und ließ sie knallen. Der weiche Boden dicht neben Huberts Gesicht riss auf, Grasbüschel spritzten durch die Luft. »Wie lange geht das schon?«
»Ein paar Jahre«, kreischte der Höker und schlug die Arme vor das Gesicht.
»Und es endet heute! Das Pferd nehme ich mit. Der Graf wird erfahren, was in seinem Stall all die Jahre vorgegangen ist.« Er bückte sich und zerrte den Mann mit einer Hand auf die Füße. »Wegen eurem Handel sind Menschen gestorben!«
»Damit habe ich nichts zu tun!«
»Wie habt ihr den Betrug aufgezogen?«
»Ihr wisst es doch!« Huberts Stimme klang lauernd.
»Rede!«
»Rigbert hat mir einmal einen alten Klepper gebracht, damit ich den schlachte. Eigentlich bin ich Wasenmeister.« Hubert sah den Ausdruck von Geringschätzung, der über Geralds Gesicht huschte, und verzog trotzig den Mund. »Egal. Jedenfalls hab ich mir den Gaul angesehen, und danach kam mir der Gedanke, dass ich ihn vielleicht auf dem Markt in Aeschach verkaufen könnte. Für das Fleisch und die Knochen hätte ich nicht viel bekommen, aber als Arbeitstier hat der Gaul noch getaugt.«
»Und das hat Rigbert erfahren.«
Hubert nickte, ohne den Blick von der Peitschenspur im Gras zu nehmen. »Erst wollte er nur das Geld, aber dann kam er auf die Idee, dass man auf diese Weise noch mehr Profit machen kann.«
Gerald gab sich keine Mühe, seine Verachtung zu verbergen. »Wie viele bisher?«
»Neun«, murmelte Hubert.
»Neun?«
In Huberts Gesicht blitzte ein Grinsen auf, das jäh erstarb, als er Geralds Wut sah. Er machte sich klein. »Ja, Herr.«
»Wie konnte das geheim bleiben?«
»Der alte Verwalter hat Rigbert alles geglaubt. Aber ich denke, Rigberts Bruder war einer, der genau hinsah.«
»Reinmar ist demnach dahintergekommen.« Gerald nickte vor sich hin.
»Weiß ich nicht.«
»Nun, vielleicht fällt dir ja noch etwas ein«, sagte Gerald und trat einen Schritt auf den Mann zu.
Der wich zurück, bis ein Baum in seinem Rücken ihn aufhielt. Seine Augen weiteten sich, als er sah, wie Gerald den Strick nahm, an dem Rigbert den Falben geführt hatte. »Herr … Gnade …«
Mit unbewegtem Gesicht band Gerald dem Mann die Hände zusammen und zerrte ihn hinter sich her. »Noch ein Wort und ich lasse dich zu Fuß gehen«, warnte er. »Rauf auf das Pferd. Und bete, dass der Graf dich nicht für die Morde verantwortlich macht!«
Gerald ritt mit seinem Gefangenen über die Uferstraße nach Buchhorn, vorbei am Hafen. Während er an den Überresten des Schuppens vorbeikam, dachte er mit einem Anflug von Bedauern daran, dass er den Pferdehöker dort hätte einsperren können. Er bog in die Gasse ein, die an der ›Buche‹ vorbei zum Anwesen hinaufführte, und sah drei Männer in eifrigem Gespräch vor der Schenke. Einer von ihnen trug eine Kutte.
»Eckhard!«
Alle drei drehten sich um, und Eckhard winkte. »Gott zum Gruß, Gerald.« Er hob die Augenbraue ironisch. »Wer ist denn das?«
Gerald saß ab und bedeutete Hubert, ebenfalls abzusteigen. »Der Kerl steckt mit Rigbert unter einer Decke«, sagte er und gab dem Mann einen Stoß in Hannes’ Richtung. »Kannst du ihn einsperren? Vielleicht in Wulfhards Kammer?«
»Natürlich.« Hannes schob den Mann weiter zu seinem Neffen. »Kümmere du dich darum«, sagte er zu dem Jungen, der ein trotziges Gesicht zog. »Wir sind gerade auf dem Weg zur Kirche. Die Spielleute geben eine Vorstellung«,
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