Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
Vom Netzwerk:
beeindrucken lassen würde. Mehr als einmal hatte er bewiesen, was er von Ehre und Lehnstreue hielt. »Und ich habe einen Beschützer.«
    Raoulblickte nach dem feisten Kaufmann, der sich das Fett von den Fingern leckte. Der Mann war aufgestanden, und sein Froschmaul verzog sich missbilligend. Aber er wirkte kaum, als wollte er einen kampferprobten Ritter in der Luft zerreißen. Steffen stöhnte unter den Schröpfköpfen und schonte seinen unteren Rücken. Anna wandte sich von ihrer eindruckgebietenden Leibwache ab.
    »Ein hübsches Spiel«, spottete Raoul. Anna zuckte zusammen. Sie hatte fast vergessen, wie fesselnd diese tiefe Stimme war. »Ich habe unterwegs hin und wieder davon gehört: Du versprichst den Männern deinen Körper, und sie bezahlen dir das Bad. Irgend wann lenkt dein Kumpan sie ab, und wenn sie nicht hinsehen, bist du verschwunden. Natürlich ohne deinen Teil der Abmachung zu erfüllen.« Er lehnte sich an den Rand des Zubers und breitete die Arme aus. Die schmalen schwarzen Brauen hoben sich, als er ihre Aufmerksamkeit bemerkte. Unwillkürlich musste Anna an die spitzen Brauen des Teufels denken.
    »Ich kann es dir nicht einmal verdenken. Diese Kerle stinken wie die Böcke.« Die groben Worte standen in seltsamem Widerspruch zu seiner klangvollen Stimme. »Nun, kein Wunder, Reinlichkeit scheint nicht unbedingt der Sinn eurer Badehäuser zu sein.«
    Anna ertappte sich bei dem frommen Wunsch, Ulrich hätte ihn damals erschlagen. »Offenbar habt Ihr noch nicht genug Badestu ben von innen gesehen, da Ihr den Unterschied zum Hurenhaus nicht kennt«, hielt sie dagegen.
    Raoul lachte abfällig. Anna spürte seine unterdrückte Wut deutlicher, als wenn er sie angeschrien hätte. Wider Willen blieben ihre Augen an ihm hängen. Schultern und Brust waren von Natur aus breit und muskulös, aber er war sehr schlank. Sicher waren auch an ihm die Hungerjahre nicht spurlos vorübergegangen. Umgekehrt musterte er sie mit wenigen schnellen Blicken. Seine dunklen Augen schienen in ihr Inneres dringen zu wollen, bis sie es freiwillig vor ihm ausbreitete. Wie damals hatte sie das beunruhigende Gefühl, einem Mann mit geschlossenem Visier gegenüberzusit zen.Sie musste sich zwingen wegzusehen. Immerhin schien er nicht vorzuhaben, sie zu töten oder zu schänden, zumindest nicht jetzt und hier.
    »Habt Ihr mich gesucht?«, fragte sie entschlossen.
    Er warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Das hieße dir dann doch ein wenig zu viel Ehre antun. Nein, ich stehe im Dienst des Grafen von Tirol. Ich bin zurückgekommen, denn Hermann von Rohrbach behauptet, ich hätte keinen Anspruch auf Kalten berg. Mein Vater sei …« Er unterbrach sich. »Ein gehängter Mör der.«
    Anna erinnerte sich, dass Ulrich ihr gesagt hatte, Raouls Vater sei ein Mörder. »Aber Euer Vater wurde nicht hingerichtet«, sagte sie mehr zu sich selbst. Sie erinnerte sich so lebhaft an den glück lichen Moment in Freising, dass sie alles Wort für Wort hätte wie derholen können. »Es hieß, er sei nach Tirol geflohen.«
    Raoul beugte sich so rasch vor, dass er sie beinahe berührte. »Was sagst du da? Er könnte noch leben?« Ein fieberhafter Glanz trat in seine Augen. Seine Stimme verlor jede Überlegenheit. Er packte ihren Arm, dass das Wasser kleine Wellen schlug. »Wie ist sein Name?«
    Anna biss schmerzhaft die Zähne zusammen. Dann befreite sie sich so heftig, dass das Wasser aufspritzte. »Woher soll ich das wis sen?« Sie rieb sich den schmerzenden Arm. Selbst wenn sie es ge wusst hätte, hätte sie es ihm sicher nicht verraten.
    Raoul starrte sie an. Das schwarze Haar umrahmte sein bleiches Gesicht, und unwillkürlich dachte Anna wieder an die Mär, er sei mit dem Teufel im Bund. »Zieh dich an und hol deine Sachen. Du wirst mich zum Grafen von Tirol begleiten.« Er gewann die Ge walt über sich zurück. »Ich hatte ohnehin vor, dich mitzunehmen.«
    Anna erschrak zu Tode. Sie wich an den hintersten Rand der Wanne zurück und schüttelte das nasse rote Haar. »Niemals!«
    »Ich biete dir meinen Schutz«, heuchelte er. Er beugte sich leicht vor, und Anna fiel wieder auf, dass er schöne, sinnlich ge schwungeneLippen hatte. Mit dem Kopf wies er auf die jungen Männer, die sich neben dem Kaufmann drängten und sie aus sicherer Entfernung begafften. »Wenn ich jetzt gehe, fallen diese stinkenden Kerle über dich her. Eine Gauklerin, die kein Gesetz schützt …« Seine Blicke glitten schamlos über ihren Körper, der sich unter dem nassen Hemd

Weitere Kostenlose Bücher