Die Gauklerin von Kaltenberg
Schon oft hat ten sie dieses Spiel zusammen gespielt.
Der Bader kam ihnen entgegen und fragte misstrauisch nach derBezahlung. Anna suchte sich einen älteren Mann, der allein im Zuber saß. Als er herübersah, lächelte sie ihm zu und legte alles bis auf ihr Unterkleid ab.
Sie war noch immer mager, aber dank dem Koch des Send lingers hatte sie weiblichere Formen als die meisten wandernden Huren. Ihr Haar, auch wenn es ungewaschen war, glänzte, und ihre Zähne waren weiß, weil Anna sie mit dem Hölzchen reinigte wie eine Dame. Der Kaufmann schien zufrieden: sogar im Voraus bezahlte er alles. Dann wollte er sie in eines der Nebengemächer ziehen.
»Der Bocksgeruch soll Euch doch nicht das Vergnügen ver leiden«, zierte sie sich mit dem verführerischsten Lächeln, das sie angesichts seiner nassen Bruche zustande brachte. Ob er seine Männlichkeit unter dem Bauch noch sehen, geschweige denn be nutzen konnte, war ohnehin fraglich.
Er ließ sich überreden. Widerwillig überließ er ihr den Zuber, um sie aus einiger Entfernung zu beobachten. Anna ließ sich in ih rem leichten Hemd ins Wasser fallen, nicht ohne dabei kokett das Gewand über die Unterschenkel zu heben. Um sich die Zeit zu vertreiben, ließ er sich Braten und Wein kommen. Einige junge Leute scharten sich um ihn.
»Pass auf, die bescheißt dich!«, hörte sie ein altes Weib flüstern.
»Ach wo, das ist eine Hur!«, widersprach ein Mann. »Sie lässt sich das Bad zahlen. Was soll so eine schon anders sein?«
Unter gesenkten Lidern sah Anna nach Steffen, der sich wie ein großer Herr vom Leibkneter traktieren ließ. Seine Bruche hätte auch ein Bad vertragen, dachte Anna. Er stöhnte unter den kräf tigen geölten Händen, während der Arzt seine Schröpfköpfe im Feuer erhitzte. Nun kam es darauf an, sich nicht in das Nebenge mach zerren zu lassen, bis sie fertig waren.
Anna schlug einem allzu neugierigen Vierzehnjährigen auf die Finger. Der Bader packte den Burschen am Kragen. Unter dem lauten Gelächter der Badegäste warf er ihn zu seinem kräftigen Badeknechthinüber. Der setzte den zeternden Burschen ohne viel Federlesens an die Luft.
Als der Arzt den ersten Schröpfkopf ansetzte, brüllte Steffen und versetzte ihm eine Ohrfeige. Anna lachte verstohlen, ließ den Hinterkopf ins Wasser sinken und schloss die Lider.
Die Geräusche des Badehauses schläferten sie ein, im warmen Wasser entspannten sich ihre kälteverkrampften Muskeln. Ein herber Duft mischte sich plötzlich in die Gerüche nach Kräutern, Essen und Wein. Der Duft eines ungewöhnlichen Männerpar füms, fremd, aber angenehm. Ein Duft, den sie nie vergessen würde.
Anna fuhr hoch. Hastig wischte sie das Wasser aus den Augen. Mit selbstsicheren Bewegungen legte der Mann seine Kleider ab. Niemand hinderte ihn, vermutlich wegen des schweren Andert halbhänders, den er locker gegen die Wanne gelehnt hatte. Ein iro nisches Lächeln lag auf Raouls Lippen, als er schamlos zu ihr in den Zuber stieg.
4
Anna fuhr so heftig zusammen, dass das Wasser kleine Wellen schlug. Ihr Herz raste so, dass ihr übel wurde. Ihre Finger klam merten sich so fest um die Ränder des Zubers, dass ihre Knöchel weiß wurden. Raoul war ein Verbündeter des Fraß, jagte es durch ihren Kopf, und er hatte sie von Anfang an gewollt. Aus Hass we gen ihres Verrats war er ihr gefolgt, um da weiterzumachen, wo Heinrich von Wolfsberg aufgehört hatte. Panisch flogen ihre Bli cke über den fast nackten Männerkörper. Sie hatte das Gefühl zu ersticken.
Die Scheu der Menschen vor ihm war mit Händen zu greifen. Die Gespräche waren verstummt. Flüsternd raunten sie sich Be merkungen zu, die Augen der Frauen hingen halb bewundernd, halb furchtsam an ihm. Ungerührt ließ er sich ins Wasser sinken.
Ihre Panik ließ etwas nach, und sie betrachtete ihn genauer. Raoul war heller als zuletzt, als wäre er krank gewesen, doch die tiefe Bräune seiner südlichen Heimat war noch zu erahnen. Die Lederbänder am Griff seines Schwerts waren glatt vom häufigen Gebrauch, der eiserne Knauf schartig. Auch die Narben auf Brust und Oberarmen bewiesen, dass er gekämpft hatte, und um seine Lippen lag ein harter Zug. Aber die nachtdunklen Augen waren klar und kalt wie damals. Das Spiel seiner Muskeln unter der glat ten Haut verriet eine Lebenskraft, die an Unverschämtheit grenzte. Annas Nacken prickelte vor Hass.
»Ich stehe im Dienst des Bischofs von Freising«, warnte sie. Im selben Moment fiel ihr ein, dass er sich davon kaum
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