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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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durch die verwinkelten Straßen von Innsbruck zurück. Der Holzturm der nahen Kapelle verriet, dass er die richtige Straße genommen hatte. Er erkannte den Bauernhof mit der angebauten Scheune. Dann öffnete er ächzend das Tor.
    »Endlich!«, begrüßte ihn Eva ungeduldig. »Wo ist Anna?«
    Ohne ein Wort ließ sich der Goliarde auf einen Strohballen fal len und begutachtete seine Leiden. Sein Auge war zugeschwol len, aber obwohl er fast nichts mehr sah, schmerzte das Licht, das durch die Bretterritzen fiel, höllisch. Jemand hatte ihn in den Hin tern getreten, dass ihn sein Hexenschuss noch böser plagte als vorher. Überall an Armen und Beinen hatte er Prellungen, und er schmeckte Blut. Hoffentlich waren die Zähne heil.
    »Wo ist sie?« Eva begann mit einem feuchten Stofffetzen an sei ner Lippe herumzutupfen. Ihr Sohn Korbinian stieß ihn unge wohnt ruppig in die Rippen, und er japste nach Luft.
    »Weg«, erwiderte er widerwillig.
    »Du solltest sie beschützen!« Eva ließ das Tuch sinken und kramte in ihrem Säckel. Die Kinder sahen ihn unter ihren sträh nigen Blondköpfen an wie einen Verräter.
    Wehleidig betastete Steffen seine Verletzungen. »Ein Ritter hat sie mitgenommen. Sie kannte ihn.« Irgendwoher war ihm der Mann auch bekannt vorgekommen, aber er erinnerte sich nicht.
    »DuTölpel!« Eva warf das Säckel ins Stroh und ging auf ihn los wie eine Furie. Am Haar zerrte sie ihn zu sich herauf und wollte zuschlagen, doch ihre Tochter Resi fiel ihr in den Arm. »Und wo hin?«, fragte sie.
    »Woher soll ich das wissen?«, fauchte Steffen. Erschöpft sank er wieder auf den Strohballen. Er war gekränkt und sein Stolz fast ebenso zerschunden wie sein Körper. Selbst nach der Schlacht in der Schweiz hatte er sich nicht übler gefühlt. Einen Hund konnte man so prügeln, aber doch nicht ihn: Steffen, der beinahe ein ge lehrter Doctor in utroque geworden wäre!
    »Ohne Anna haben wir in dieser Abtei bei Brixen nichts verlo ren«, sagte Korbinian nachdenklich.
    Eva stieß einen wütenden Laut aus. Auf der Straße konnte man es sich nicht leisten, lange über andere nachzugrübeln. Sie hatte gelernt, Freunde und Liebhaber zu vergessen, sobald sie sie aus den Augen verlor. Aber seit dem Hungerwinter war Anna ihr ans Herz gewachsen. Sie machte sich Sorgen. Steffen zog den Kopf ein, aber er wechselte einen verständnisvollen Blick mit Korbi nian.
    »Der Mann hatte ein Schwert«, verteidigte er sich. »Keiner wagte sich an ihn heran, es umgab ihn die Macht eines Dämons«, flüsterte er heiser und rollte die zugeschwollenen Augen. »Er war ganz in Schwarz gekleidet. Schwarzes Haar und Bart, und Au gen … Herrgott, Augen wie ein Fürst der Hölle!«
    Eva sprang auf wie von einer Ratte gebissen. »Du Narr, erinnerst du dich nicht? Das war der Mann, vor dem sie damals zu uns ge flohen ist!«
    Stadtluft macht frei, sagte das fahrende Volk, und Innsbruck war eine Stadt wie jede andere. Zähneknirschend ließ sich Eva darauf ein zu bleiben. Schließlich wussten sie nicht, wohin Raoul Anna verschleppt hatte. Und obwohl der Föhn noch warmes Wetter brachte, stand der Winter vor der Tür.
    OhneAnna fühlte sich Eva ungewohnt verlassen. Die Leute gaben nichts mehr aus für Liebeszauber oder Jungfräulichkeits salben. Im Gegenteil, manche schickten ihren Nachwuchs betteln, um ihm noch das Erbettelte aus dem Mund zu holen. Steffen hatte sich mit einer geheimnisvollen Andeutung aus dem Staub ge macht: Er sei Mönch gewesen, und die Kirche würde für seinen Lebensunterhalt aufkommen – so oder so.
    Einen Hungerwinter wie den vor vier Jahren wollte Eva nicht noch einmal erleben. Vor nichts hatte sie so viel Angst, wie noch einmal einem Kind hilflos beim Sterben zusehen zu müssen. Sie erinnerte sich, am Stadtrand ein Büßerinnenkloster gesehen zu ha ben, und entschloss sich, um Aufnahme zu bitten.
    Der Weg führte über den Rathausplatz. Die Leute drängten sich um jemanden, der seiner Amtsrobe nach ein Stadtrichter oder etwas der Art sein musste. Er stand bei einem befestigten Torturm, vielleicht auf einem Podest. Dumpfe Hammerschläge verrieten, dass ein Urteil vollstreckt wurde. Eva hatte selbst zu viele Strafen am eigenen Leib erfahren, um noch allzu zartfühlend zu sein. Neu gierig drängte sie sich durch die buntgekleidete Menge an den mit Leintüchern überspannten Marktständen vorbei.
    Ein schwarzgekleideter Stadtbüttel befestigte soeben das Schild. Eva konnte nicht lesen, aber sie hörte, wie die Leute zisch ten: Wegen

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