Die Gauklerin von Kaltenberg
Waffenknecht warf einen fragenden Blick nach seinem Herrn.
Ulrich schüttelte den Kopf. Er wischte die Blutspritzer ab, die ihn auf der Wange getroffen hatten. Dann wandte er sich an das Gesinde und die Bauern, die stumm auf die Szene starrten. »Geht wieder an die Arbeit! Und du«, wandte er sich an Gertraut, die mit den andern herbeigerannt war, »mach hier Ordnung!«
Gertraut holte eine Schaufel und begann, Erde auf den ge stampften Boden zu schippen. Er trat unter das Vordach, wo der Regen noch immer von den Schindeln tropfte. Auf einmal sah er Anna an. »Dein Kleid ist zerrissen«, sagte er. »Komm mit in den Palas, ich lasse dir ein neues geben.«
Anna war noch nie im Herrenhaus gewesen. Wie sie es gewohnt war, tauchte sie die Finger in das Weihwasserbecken neben der Tür und bekreuzigte sich. Ulrich führte sie eine schwach von Talg lampen beleuchtete Stiege zum ersten Stock hinauf. Niemand war zu sehen, und der Lärm des Burghofs drang nur gedämpft her ein. Trotzdem beeilte er sich und blickte sich immer wieder besorgt um. Er öffnete eine Tür und schob sie in ein getäfeltes Gemach.
Die Läden des kleinen Rittersaals waren geschlossen, so dass kaum Zug hereindrang. Es war, als schlössen sie zugleich auch Krieg und Elend aus. Ein Kohlenbecken spendete Wärme ohne den Qualm, der in Annas Elternhaus alles durchwölkte. Scheu betrachtete sie den Faltstuhl – ein unerdenklicher Luxus für ein fache Leute. An den Wänden hingen Helme und Schilde mit dem Wappen seiner Familie, einer Hopfendolde auf schwarzweißem Grund. Die gegenüberliegende Wand schmückten Jagdtrophäen von Ebern und Hirschen. An den nackten Fesseln spürte Anna die rauen Haare eines Bärenfells, das den Boden bedeckte. Sie wusste, dass Ulrich, wie sein Vater, ein leidenschaftlicher Jäger war.
Er machte keine Anstalten, eine Magd nach einem Kleid zu schicken, kam aber auch nicht näher. Anna war ihm dankbar. Sosehrsie sich wünschte, wieder in seinen Armen zu liegen, saß ihr der Schrecken doch noch in den Knochen.
»Nenn mich vor Jutha und dem Gesinde nicht beim Vorna men«, sagte er, kaum hatte er die Tür hinter ihnen geschlossen.
»Ich habe niemandem etwas verraten, nicht einmal in der Beichte«, erwiderte Anna zurückhaltend. Niemals hätte sie ihm gesagt, wie verletzt sie gewesen war, als sie von seiner Heirat er fahren hatte, und wie schwer es ihr fiel, Jutha ehrerbietig zu be gegnen. »Vater Paulus würde mich aus der Gemeinde ausschlie ßen, wie eine …« Sie unterbrach sich, als sie seinen Blick bemerkte, und sah an sich herab. Unter dem Kleid zeichnete sich ihr Körper deutlich ab. Ihre Brustwarzen traten vor Kälte hervor, und der nasse Stoff schmiegte sich an ihre Beine und ihren Schoß.
»Du musst ja frieren!«, sagte Ulrich endlich. Er verschwand im Nebenzimmer und kam mit einer dunklen Wolldecke zurück. Dankbar griff Anna danach. Er beobachtete sie, als sie sich Haar und Gesicht trocknete, ohne sich selbst auch nur das Wasser aus der Stirn zu streichen. Es tropfte aus dem blonden Haar auf seine Lippen und ließ seine sonst so unbeteiligten Augen glänzen. Ihre Blicke glitten über die Muskeln an seinen Armen, die sich unter dem feuchten Stoff deutlich abzeichneten. Auf einmal kam er heran und küsste sie.
Ein Schauer rann über ihren Rücken. Sie hörte seinen Atem schneller gehen und spürte seine Hand über ihren Schenkel glei ten. Sonst genoss sie es, wenn er Stellen an ihrem Körper ent deckte, die sie selbst nicht einmal gekannt hatte. Aber heute wünschte sich Anna, er würde sie einfach in die Arme nehmen, wie früher Martin. Sie versuchte die Plünderung und seinen Tod zu vergessen und wollte sich an Ulrich schmiegen. Doch statt sie festzuhalten, ließ er seine Hand über ihre Brüste gleiten und küsste sie fordernder. Sanft schob sie ihn von sich weg.
»Ist es wegen Jutha?« Es klang überrascht, als deute er ihre Geste anders. »Glaub mir, wenn sie jemand gefragt hätte, hätte sie michauch nicht gewählt – und diesen dreckigen, zugigen Adlerhorst.« Seine Stimme war einen Moment widerwillig geworden. »Die Ehe ist eine Pflicht wie jede andere, vielleicht sehnen wir uns deshalb alle nach dem Verbotenen.« Er strich ihr das nasse rote Haar aus dem Gesicht. »Es gefällt mir, wenn du dein Haar offen trägst. Es ist schwer zu bändigen, das passt zu dir. Aber das weißt du, nicht wahr?«
»Sie würde mich am liebsten hinauswerfen. Ich sollte ins Dorf zu rück.« Unvermittelt brach die Neuigkeit aus
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