Die Gauklerin von Kaltenberg
Zeug nicht sagen konnte. Jede Hausfrau hatte ihre eigene Grut – ihre Kräutermischung, der sie oft Bilsenkraut und andere Rauschmittel zusetzte.
Anna fegte die schmutzigen Reiser in den Hof und legte frische aus, die der Küchenjunge gebracht hatte. Wütend kam der Koch herüber und suchte einen Topf Honig, der aus der Küche ver schwunden war. Er überzeugte sich, dass unter den löchrigen Klei dern der Häusler niemand das Diebesgut versteckt hielt.
Anna wartete, bis er wieder weg war, dann griff sie unter das Leintuch in ihrem Gürtel und steckte der kleinen Lena einen in ein Tuch gewickelten Gegenstand zu. Überrascht sah das Kind sie an. Anna legte den Finger auf die Lippen und lächelte. Auf der Burg würde ein Topf Honig nicht ins Gewicht fallen, aber Lena würde er helfen zu überleben.
Während sich die Hunde knurrend um die Reste balgten, brachte sie noch einen Krug Bier zu den Handwerkern. Zwiespältige Gefühle stritten in Anna. Die Burgschmiede war der letzte hölzerne Vorbau vor dem Tor, seit der Plünderung hatte sie sie gemieden. Aber nach Martins Tod gab es nur noch ihre Eltern. Auf einmal sehnte sie sich nach ihnen. Sie zog das Tuch über den Kopf, umsich vor dem wieder einsetzenden Regen zu schützen. Vor dem Eingang wartete ein frisch beschlagenes Pferd, das Feuer warf seinen warmen Schein heraus. »Vater?«
Der Qualm zog durch das Loch in der Decke kaum ab. Im Dun kel konnte sie den breiten Rücken, der über die Esse gebeugt war, nicht erkennen. Der Schmied tauchte einen hellglühenden Vier kantstab ins Wasser. Das Zischen übertönte Annas Stimme, und er griff mit der Zange nach dem zweiten Werkstück. Langsam legte er einen Stab mit rotglühendem Ende auf den Amboss und hob den Hammer. Anna hielt die Hände an die Ohren. Sie kannte Leute, die durch den Lärm beim Stauchen taub geworden waren. Klirrend schlug der Hammer auf das Eisen, und die Muskeln un ter der schweißglänzenden Haut bewegten sich im selben Rhyth mus. Sie nutzte eine Pause und rief noch einmal nach ihm, so laut sie konnte. Der Schmied legte das Eisen auf den Amboss und drehte sich zu ihr um. Es war Kilian.
Anna wollte auf dem Absatz kehrtmachen, doch ihr Verlobter war schneller. Er packte sie und zog sie zu sich heran.
»Du bist mir ein schönes Luder!«, fuhr er sie grußlos an. Das verfilzte helle Haar hing ihm trotz des Tuchs, das es halten sollte, in die Augen wie einem Stier. »Ist es wahr? Bist du seine Metze?«
Die Plünderer hätten sie fast umgebracht, und seine einzige Sorge galt ihrer Unschuld! Anna ertappte sich bei dem Wunsch, er und nicht Martin wäre gestorben. »Ich freue mich auch, dass dir nichts geschehen ist!«, erwiderte sie spöttisch. Neben seiner Rie sengestalt kam sie sich vor wie ein schmächtiges Kind. Sie wollte sich befreien, doch der muskulöse Arm hielt sie unerbittlich.
»Die Leute reden schon. Wenn du nicht sofort zurückkommst, wirst du es bereuen«, drohte er. »Und deine Mutter behauptet, du bist nicht ihr Kind, eine Hexe hätte ihr damals ein Wechselbalg untergeschoben.«
Anna kämpfte gegen ein Gefühl von Enge in ihrer Kehle. Sie wusste, wie sehr ihre Mutter immer gefürchtet hatte, die Tochter könnteins Gerede geraten. Aber sie hatte nicht gedacht, dass diese Angst größer war als ihre Mutterliebe.
»Kein Wunder«, stocherte Kilian in der Wunde. »Du hast ja gleich zwei edlen Herren den Kopf verdreht!«
Annas Widerstand erlahmte. »Zwei?«, flüsterte sie.
»Da schaust du! Ein fremder Ritter hat nach dir gefragt«, sagte er. »Ein dunkler Bursche, wollte wissen, wer und wo du bist. Die Allgeierin schwört, sie hätte ihn bei den Plünderern gesehen. Hat sich wohl vor Angst ins Hemd gemacht, jedenfalls hat sie ihm ge sagt, wo du bist.«
Mit weit geöffneten Augen starrte Anna ihn an. Sie hatte es be fürchtet: Der fremde Ritter suchte sie!
»Schämen solltest du dich!«, brüllte er sie plötzlich an. Er zog sie so dicht heran, dass sie gegen seine fettglänzende Lederschürze prallte und die Schweißperlen zwischen seinen Bartstoppeln se hen konnte. Wie um sie zu schlagen, hob er die Hand, und Anna erschrak. Obwohl er nie ein sanfter Mann gewesen war, schien es, als hätte ihn das Geschehene noch härter gemacht. »Mit diesen Händen habe ich mir erarbeitet, wo ich bin! Das lasse ich mir nicht nehmen.« Wenigstens ließ er seine Pranke sinken. »Du bist jetzt die einzige Erbin der Schmiede. Sobald Herr Ulrich seine Erlaub nis gibt, werden wir heiraten.«
Anna riss
Weitere Kostenlose Bücher