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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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diebisches!«
    Eva legte schützend die Hand auf ihren schwangeren Bauch und zog ihre Kinder an sich. Sebastian, ihr Geliebter, den sie in Innsbruck aus dem Schandkäfig befreit hatte, stellte sich vor sie. Beunruhigt biss Steffen auf dem eitrigen Zahn herum, der ihn seit Tagen quälte. Im Schutz der Kapelle am Ammersee, weit weg von der Dießener Kirche, hatten sie sich sicher gefühlt. Natürlich wuss ten sie, dass es verboten war, zu fischen. Aber die Saiblinge waren seit Tagen die erste Mahlzeit gewesen.
    Ein schwarzgekleideter Büttel schob die aufgebrachte Menge zur Seite. Er trat zur Feuerstelle, wo die Reste noch auf den Stock gespießt standen. Der verführerische Duft ließ seine großen Na senflügel zittern.
    »Heimlich gefischt, was?«, fragte er. Die Nase beugte sich tief herab, und der Bart zuckte. Dann erinnerte er sich, dass er im Dienst von Recht und Gesetz stand. Die Macht, die er daraus zog, schmeckte ihm noch besser als der Bratfisch. »Das Fischrecht ist das Vorrecht des Grafen von Dießen«, sagte er mit aller Würde und Strenge, die er angesichts der Reste auf dem Feuer zustande brachte.
    »Blendet sie!«, kreischte wieder die Alte. Eva hätte sie am liebsten in ihr langes Hundegesicht getreten, bis sie Ruhe gab. Mittlerweile hatte sich der halbe Markt um sie geschart. Vielleicht hätten sie doch in Innsbruck bleiben sollen. Aber dort hatten sie ihr ganzes Geld verspielt und buchstäblich nackt auf der Straße gestanden. Dann hatten sie von dem Turnier gehört, und wo, wenn nicht bei so einem Fest, hätten sie sich eine Mahlzeit verdienen können? So wiees jetzt allerdings aussah, würden die Fische die Gaukler zu fressen bekommen statt umgekehrt. Sie griff nach Sebastians Hand.
    Jemand drängte sich durch die Menge und schob den Büttel zur Seite. »Diese Leute stehen in meinen Diensten«, sagte der schwarze Ritter.
    Steffen verschluckte einen Fluch, aber Eva fiel ein Stein vom Herzen. Aufgeregt zog sie Sebastian zu sich heran. »Ich kenne ihn«, flüsterte sie.
    Raouls Blick fiel auf den Goliarden. Ein Lächeln zuckte um seine Lippen, er hatte ihn wiedererkannt. »Der Bursche da ist mein Knappe. Wenn er stiehlt, ist es mein Recht, ihn zu bestrafen.« Er wechselte einige schnelle Worte mit dem Büttel, aber sie schienen sich zu einigen. Angesichts des Anderthalbhänders, den Raoul im Arm trug, hatte der Mann vermutlich keine Lust, sich mit ihm an zulegen.
    Raoul warf Steffen sein Schwert zu, und unwillkürlich fing die ser es mit einer geübten Bewegung auf.
    »Der Teufel soll Euch holen«, brummte Steffen in seinen Bart. »Was immer Ihr vorhabt, ich bin dabei der falsche Begleiter!«
    Als er von weitem den Bergfried von Kaltenberg aus dem Wald ragen sah, stritten starke Gefühle in Raoul. Nachdem Anna ohne ein Wort verschwunden war, hatte er sie verzweifelt gesucht. Er hatte nicht glauben wollen, dass sie zu Ulrich zurückkehrte. Aber als er nach ihr fragte, war er auf Freudenreich gestoßen, und der hatte ihm alles gestanden. Es machte ihn fast verrückt, doch er war entschlossen, sie nicht aufzugeben. Als er unterwegs von dem Turnier gehört hatte, hatte er sich noch mehr beeilt. Ein Sieg galt als göttliche Gnade: So konnte Raoul die Gerüchte zerstreuen, er sei verflucht. Und Ulrich von Rohrbach würde bereuen, dass er ihn eingekerkert hatte, schon bald!
    Die meisten Katen waren seit der Plünderung wieder aufgebaut worden und zogen sich entlang der Straße hinauf zur Burg. Mit überwältigenderKlarheit kamen die Erinnerungen wieder. Damals war der Boden von den Pferden zerstampft gewesen, überall waren schreiende Menschen um ihr Leben gerannt. Raoul erkannte die Stelle wieder, wo er Anna zum ersten Mal begegnet war. Er schloss die Augen, um seine Gefühle zu verbergen. Dieser Tag hatte sein Leben verändert.
    »Was ist, Herr?«, riss ihn Steffen aus den Gedanken. Raoul zuckte zusammen und ließ den Rappen weitergehen. Wo man frü her kaum ein Huhn auf der Straße gesehen hatte, ratterten jetzt Wagen und Handkarren. Stimmen von Menschen flogen wie auf geregtes Bienensummen durch die Luft.
    Auf der Wiese unterhalb der Burg hatte man Leinenzelte auf gestellt. Bunte Wimpel flatterten, Fahnen und vor den Zelten auf gestellte Schilde verrieten die Namen der Ritter. Das Wappen mit dem silbernen Schildfuß auf blauem Grund und der gelben Sumpf dotterblume kannte Raoul, es gehörte den Kühlenthalern, Truch sesse des Königs. Aber es gab auch silberne Türme, Fische und ge kreuzte Streitkolben

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