Die Gauklerin von Kaltenberg
über einem Ulrichskreuz – ein buntes Spiel von Farben und Bildern bewegte sich vor ihm.
Als man ihn bemerkte, stand der eine oder andere Ritter neu gierig auf, um dann wieder zu den Würfeln zurückzukehren. Raoul würde gut daran tun, die Kämpfer nachher zu begrüßen, um sich ein Bild von seinen Gegnern zu machen.
Bettler, Händler und zerlumpte Kinder rannten ihnen nach und bewunderten Sebastians Muskelmassen und das schwarze Pferd. Steffen wagte sich beim Begaffen zweier Mädchen zu weit vor, und der große graue Hund ihres Dieners verbiss sich knurrend in seinen Kittel. Wütend schlug der Goliarde um sich, der Hundefüh rer zerrte vergeblich an der Leine und fluchte, bis er das Tier schließlich mit einem Knüppelhieb dazu brachte loszulassen. Die Zuschauer brüllten vor Lachen.
Suchend sah Raoul sich nach einem geeigneten Platz für ein Zelt um. Überall wurden Buden aufgebaut. Manche waren rich tigeHütten, andere nur ein Leintuch, das von den Besitzern auf Pfosten gespannt wurde. Aus fahrenden Garküchen und Badestuben stiegen Düfte nach Kräutern, Gebratenem und süßen Mehlkuchen auf. Quacksalber boten Amulette und Liebestränke feil oder zogen Zähne. Lederflicker flickten Riemen, Panzermacher hämmerten klirrend die Glieder an Kettenhemden gerade. Raoul beschloss, nachher in Ruhe zu sehen, wer die beste Arbeit machte. Wenn man ihm erlaubte, am Turnier teilzunehmen, würde er bald einiges auszubessern haben.
Ulrich wollte sichtlich Eindruck machen, dachte Raoul. Er fragte sich, woher der Rohrbacher das Geld dazu hatte. Vielleicht war der Kreuzzug einträglich gewesen, und Ulrich hatte einen ver mögenden Gefangenen auslösen lassen können. Oder er hatte bei den Turnieren in Marienburg reichlich Beute gemacht.
»Da vorne.« Raoul hatte einen Platz am Rand des Lagers gefun den, der ihm zusagte. Die angeseheneren Herren quartierten sich in der Mitte ein, aber hier, schon halb unter den Bäumen, würde ihn kaum jemand beachten.
Er sprang vom Pferd und übergab es Steffen. Dann wies er Eva an, einen Tuchmacher zu suchen, von dem man ein Zelt leihen oder kaufen konnte. Ihr Sohn Korbinian sollte sich um etwas zu essen kümmern, irgendwo hatte Raoul einen Fleischer gesehen. Ungeduldig winkte er einen Quacksalber beiseite, der ihm seine Salben zur Stärkung der Manneskraft andrehen wollte.
»Gladiolenzwiebeln«, schrie der Mann, als Sebastian ihn mit der linken Hand am Kragen packte und wegschleifte. »Das beste Amulett für einen Sieg im Zweikampf.«
»Wollt Ihr nicht lieber doch eine nehmen?«, fragte Steffen.
»Ich kämpfe mit der Klinge, nicht mit Blumenzwiebeln.« Raoul warf ihm seinen Mantel zu. »Hör auf, dir den Hals zu verdrehen. Du kannst nachher noch früh genug deinen Lohn für Liebeszau ber verschleudern.«
Steffen verschluckte eine Verwünschung. Gerüche nach Feuer wehtendurch die Luft, nach frischer Schafwolle. Raoul winkte Eva herbei, die tatsächlich einen Händler mit einem Zelt ausfindig gemacht hatte. Es wurde Zeit, bald würde es dunkel sein. Mit ungewohnter Höflichkeit trat Steffen zur Seite und machte einem Mann Platz.
»Es ist also wahr. Ihr seid hier.«
Raoul hätte diese Stimme unter Tausenden wiedererkannt. Er erinnerte sich, wie dieser Mann zu ihm in das Verlies auf Kalten berg gekommen war, wie er im Jähzorn auf ihn eingeschlagen hatte, als er verletzt und wehrlos gewesen war.
Das blonde Haar verdeckte Ulrichs Augen. Auf der Oberlippe war der Ansatz eines Barts zu erkennen, dunkler als das Haupt haar. Die Lippen trugen denselben Ausdruck wie zuletzt.
Raoul trat dicht an ihn heran. Leise, aber unfähig, den alten Hass zurückzuhalten, erwiderte er: »Heute liege ich nicht in Ketten. Legt es lieber nicht auf ein Treffen an. Ihr würdet keine Zeit ha ben, es zu bereuen.«
Ulrich warf den Mantel ab. »Ihr glaubt doch nicht, dass ich Euch die Ehre antue, Euch auf dem Turnierplatz als Gegner auszuwäh len.« Er zog das Schwert aus der Scheide und warf die Lederhülle vor seinem Feind zu Boden.
»Ein Zweikampf!«, stöhnte Steffen. »Das hat mir gerade noch gefehlt!«
8
»Bringen wir es zu Ende«, sagte Ulrich. Mit einem abfälligen Blick streifte er die schlichte dunkle Cotte seines Gegners. »Ein Zwei kampf auf Leben und Tod – das ist mehr, als ein Bastard erwarten kann.«
Raoul hielt dem Blick kalt stand. Jahrelang hatte er auf diesen Moment gewartet. Langsam hob er sein Schwert auf. Als er die Klinge hob, lief ein Funke darüber.
Mit gleitenden Schritten
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