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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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alles Schreckliche, das sie je erlebt hatte, zu vergessen.
    »Gelobt sei der Herr, du bist hier!«, rief jemand.
    Taumelnd kam Anna zum Stehen. Eine Frau hatte sich durch die Bänke gedrängt. Sie kannte sie.
    »Komm schnell!«, rief Eva.
    Das späte Licht, das durch die Bäume fiel, verwirrte die kämpfenden Männer. Beide bluteten aus kleineren Verletzungen. Raouls dunkle Cotte machte ihn schwerer zu treffen, aber der blitzende Silberbeschlag seines Gürtels bot ein Ziel. Dank seiner Gewandt heitgelang es ihm immer wieder auszuweichen. Aber der Rohrbacher war größer und hatte mehr Reichweite. Ihre Kräfte waren ausgeglichen.
    Raoul machte einen Schritt nach vorn, im letzten Augenblick fegte Ulrich die Klinge weg. Er hatte sein Gleichgewicht wieder gefunden, da stieß Raoul mit vorgestreckten Armen zu.
    Mit einem Schrei sprang Ulrich zur Seite. Er war unverletzt, der Stoß, der ihm ins Gehirn gefahren wäre, hatte ihn knapp verfehlt. Einen Herzschlag lang sah Raoul Angst in seinem Gesicht. Wie der dachte er daran, wie Ulrich im Verlies auf ihn eingeschlagen hatte. Mit der ganzen jahrelang angestauten Wut drang er erneut auf ihn ein.
    Der Rohrbacher hatte sich wieder in der Gewalt und trieb ihn nun seinerseits zurück. Immer öfter musste Raoul kraftraubende Schritte zur Seite machen. Jetzt rächte es sich, dass er den kürze ren Arm hatte.
    Raoul ließ sich zu Boden fallen, um einem waagrechten Hieb auszuweichen. Er rollte sich ab, kam wieder hoch, knirschend glitt die Klinge ab. Körper an Körper standen sie sich keuchend gegen über, die Waffen ineinander verkeilt, die behandschuhten Fäuste aneinandergepresst.
    Einen Herzschlag lang starrten sie sich schwer atmend an. Die Gerüche nach Eisen und dem Wollfett von den Klingen mischten sich mit Schweiß. Raoul spürte Ulrichs Körperwärme, die uner bittliche Kraft, mit der dessen Handgelenk dem Druck standhielt. Ulrichs blutbefleckter Ärmel beschmierte seine Cotte, die eben falls auf der Brust feucht war. Nur noch abgrundtiefer Hass stand in den Augen seines Feindes, die Lippen waren erbarmungslos. Er wusste, dass sein eigenes Gesicht denselben Ausdruck hatte.
    Am Leib seines Gegners rollte er sich zur Seite ab. In derselben Bewegung riss er die Waffe über den Kopf, so dass die Spitze auf Ulrich zeigte. Sein Todfeind tat dasselbe. Beide hielten die Schwerter nun in dieser Haltung, die man den Ochs nannte. Mit gleiten denSchritten begannen sie wieder, sich zu umkreisen. Der Jähzorn, der es früher leicht gemacht hatte, Ulrich zu beherrschen, war völlig verschwunden.
    »Ihr habt noch keinen Erben«, versuchte Raoul ihn zu reizen. »Nicht einmal einen Bastard habt Ihr zustande gebracht.«
    Ulrich griff mit einem Schlag von unten an, und er parierte mit einer blitzschnellen Drehung. Seine behandschuhten Finger spiel ten mit der Waffe und beherrschten jede Bewegung.
    »Ich kenne jetzt den Namen meines Vaters«, fuhr Raoul fort. »Wenn Konrad von Haldenberg mich anerkennt und ich Euch im Turnier besiege, wird niemand mehr sagen, ich sei verflucht. Wagt Ihr es, Burg Kaltenberg als Preis in diesem Kampf einzusetzen?«
    Ulrich lachte hart. »Euer Vater wird Euch nie seinen Sohn nen nen. Und was meine eigenen Bastarde betrifft, bin ich zuversicht lich. Ich habe die rothaarige Gauklerin oft genug auf den Rücken gelegt. Sie war ja ganz verrückt danach.«
    Raoul verlor so schnell die Beherrschung, dass er selbst davon überrascht wurde. Mit einem wuchtigen Schlag ging er auf Ulrich los. Verblüfft sprang dieser zurück. In lautloser Wut setzte Raoul nach und drang auf ihn ein. Der Rohrbacher nahm die Klinge auf. Raoul wurde von der Wucht des eigenen Hiebs herumgerissen und taumelte an ihm vorbei. Unwillkürlich ließ er sich fallen und rollte sich über die Klinge ab. Ulrichs Schwert zischte haarscharf über seinen Kopf hinweg.
    »Hört auf!«
    Keuchend fuhr Raoul auf. Die tief in die Stirn hängenden Lo cken versperrten ihm einen Moment die Sicht. Seine Hände klammerten sich fester um den Griff. Obwohl er mit der Schulter auf einen Stein gefallen war, spürte er den Schmerz nicht.
    Totenbleich starrte Anna von ihm zu Ulrich. Hinter ihr trat Eva langsam zurück. In Annas weit aufgerissenen Augen war ein Ausdruck, dass Raoul am liebsten die Waffe weggeworfen hätte. Seine Hände bebten bei der Erinnerung daran, wie ihn diese Augen un terhalbgeschlossenen Lidern angesehen hatten. Wie sie seufzend den Hals geneigt hatte, als er sie dort küsste, wie sie gezittert hatte,

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