Die Gauklerin von Kaltenberg
Fell über die Ohren ziehen«, meinte To bias. »Ein Wunder, dass er sie nicht gleich erschlagen hat.«
»Ach, zum Teufel mit Herrn Ulrich«, stieß Regina leise hervor. »Hier quellen die Schüsseln über, und unten im Dorf sterben die Kinder am Hunger!«
Schweigen breitete sich aus. Die anderen sahen sie erschro cken an, als hätte sie eine Gotteslästerung ausgesprochen.
Draußen begannen die Leute zu jubeln. Die Diener sahen sich an und liefen ins Freie. Aber keiner hatte Regina widersprochen.
Lächelnd beobachtete Königin Beatrix, wie ein Mädchen mit ge rafften Röcken und gerötetem Gesicht vor ihnen her durchs Burg tor rannte. Kaltenberg war wirklich nicht groß, dachte sie, als sie die Vorburg hinter sich hatten. Eine waghalsig über den Burggra ben gebaute Kapelle durchbrach die abweisenden Mauern, dahin ter ragte ein kleiner Bergfried auf. Eine Schar zerlumpter Dorfkin der, Spielleute und fahrende Tierbändiger strömten zusammen. Sackpfeifer spielten auf, und ein schwarzhaariger Hüne zeigte un ter lautem Geschrei der Kinder seine Muskeln.
»Platz da!«, brüllte ein Herold und stieß in seine Fanfare. »Aus dem Weg, ihr nutzloses Pack! Platz für den König! König Ludwig von Baiern, Sohn Herzog Ludwigs des Strengen …«
In leierndem Ton betete er die Ahnenreihe seines Herrn herun ter und verlängerte sie bis hinauf zu Adam und Eva. Während sie auf ihrem Zelter neben ihm ritt, betrachtete Beatrix ihren Mann. In Rüstung, im blauen Waffenhemd mit den weißen Kreuzen war er ihr immer ein wenig fremd, aber das hatte seinen Reiz. Er ritt einen riesigen Schimmel, der unter der weißblauen Pferdedecke und mit den gelben Scheuklappen beeindruckend wirkte.
»Bleibst du den Winter bei mir?«, fragte sie, während sie sich durch das jubelnde Volk langsam ihren Weg bahnten. »Das ganze Jahr war ich allein, du bist nicht einmal gekommen, als ich krank war.« Die letzten Jahre hatten sie ausgelaugt. Sorge um Ludwig, dieTrauer um zwei Kinder und die ständigen Geburten hatten die ohnehin zarte Frau noch zerbrechlicher gemacht. Der hermelinverbrämte Surcot aus grünem Brokat schmiegte sich eng an ihren Oberkörper und ließ das Ende des Rippenbogens erkennen. Ihre Handinnenflächen waren gerötet, und sie war völlig erschöpft von der Reise. Aber ihr blondes Haar glänzte unter dem Gebende, und ihre Augen blickten erwartungsvoll.
»Das war unmöglich. Wir lagen Friedrich vor Straßburg gegen über«, erwiderte er kurz.
Sie seufzte. »Zum wievielten Mal habt ihr euch ohne Schlacht getrennt?« Ludwig antwortete nicht. »Während du mit Friedrich den Ritter gegeben hast, musste ich mich um deine Schutzbefoh lenen kümmern. Immer wieder wollten die Leute ihre Wut über den Hunger und die schlechten Geschäfte an den Juden auslassen. Es war schwer, sie davon abzuhalten.«
»Ich versuche doch, den Handel zu stärken«, brauste er auf. Die Leute erschraken, Beatrix sah ihn wortlos an. Er griff plötzlich zu ihr herüber und legte die Hand auf ihre Zügelhand.
»Also gut«, gab er nach. »Ich bleibe den Winter in München. Und jetzt genieße das Turnier! Du musst nicht dabei sein, wenn ich nachher mit der Stadt Landsberg verhandle. Sie hat unter Leopold zum zweiten Mal schwer gelitten, ich werde ihr das Salz zollrecht verleihen. Im Augenblick muss ich um jeden Verbünde ten kämpfen. Aber ich werde meinen Feinden beweisen, dass ich noch lange nicht geschlagen bin.« Das Lächeln, das sie an ihm zu lieben gelernt hatte, spielte um seine breiten Lippen. »Friedrich glaubt, ich liege im Büßergewand auf den Knien und bete, mit hei ler Haut aus diesem Krieg zu kommen. Wenn er hört, dass ich ein Turnier abhalte, wird er platzen vor Wut. Außerdem sehe ich so, wer von meinen bairischen Gefolgsleuten überhaupt noch zu mir steht«, setzte er mit seinem unverwüstlichen trockenen Humor nach.
Beatrix musste lachen. »Hast du ihretwegen dieses beeindru ckendeGefolge aufgeboten? Wie sollen wir bloß alle auf dieser winzigen Burg unterkommen?«
Sie drehte sich im Sattel um. Mehrere einfache Ritter, Knappen und Jungherren begleiteten ihn, aber die würden ihre Zelte unten im Lager aufschlagen. Hinter ihnen kamen Ludwigs Schreiber und der Marschall. Dann folgten der Jagdmeister, Falkner, Hunde führer und schließlich die Pagen und Damen, der Kaplan und seine eigenen Spielleute. Gaukler, die Feuer spuckten und mit Ringen jonglierten, rannten hinterher und nutzten die Aufmerksamkeit.
Beatrix warf eine Handvoll Münzen
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