Die Gauklerin von Kaltenberg
die Tafel auf! Es ist Zeit zu tanzen.«
Erleichtert holten die Gaukler ihre Pfeifen und Flöten. Ludwig nahm die Fingerspitzen seiner Frau und zog sie zu sich. Lachend ließ sich Beatrix auf die Tanzfläche führen, während die Diener eif rig die Tische wegschafften. Ludwig sang das Liedchen mit und führte den Reigen, Jutha an der anderen Hand.
»Raoul ist wieder hier. Du wirst mein Lebenswerk zerstören«, knirschte Hermann von Rohrbach, als Vater und Sohn unbeob achtet in ihren Scherenstühlen sitzen blieben. »Konrad von Hal denberg hat keine legitimen Erben mehr, seine Burgen könnten im Besitz unserer Familie bleiben. Und ausgerechnet jetzt ver schleuderst du alles für ein Turnier!«
Immer hatte er getan, was sein Vater gewünscht hatte, dachte Ulrich wütend. Um ihm zu gefallen, hatte er alles geopfert, selbst dieeinzige Frau, die ihm je etwas bedeutet hatte. Seit damals hatte er sich keine solchen Gefühle mehr zugestanden, obwohl er einige Frauen gehabt hatte.
»Ich habe den König hierhergeholt, was Euch niemals gelun gen ist«, setzte er sich zur Wehr. In all den Jahren hatte sein Vater ihm nie ein anerkennendes Wort gesagt. Ärgerlich warf er einem Hund seine Reste zu. Sofort kamen die Spielleute herüber und brüllten ebenfalls um Gaben.
Verächtlich schüttete Hermann ihnen den Rest aus seinem Be cher ins Gesicht. »Ist euch jetzt das Maul gestopft?«, fuhr er sie an. »Macht gefälligst Musik!«
Erschrocken sprangen die Narren zurück. Aber Sackpfeife und Flöte gaben nun etwas weniger harmonische Töne von sich.
»Um welchen Preis?«, fuhr Hermann scharf fort. »Du hast bei den Turnieren in der Marienburg gut Beute gemacht. Aber um die Kosten für dieses zu decken, müsstest du jeden Kampf gewinnen. Verlierst du auch nur einen, muss ich die Burg verpfänden. Was hast du dir nur dabei gedacht?«
Ulrich biss die Zähne zusammen. Es war üblich, dass Pferd und Rüstung des Unterlegenen dem Sieger anheimfielen. Ein geschick ter Kämpfer konnte bei einem drei- oder viertägigen Turnier ein Vermögen erwerben: wenn er ein paar gute Lanzen brach oder beim Massenkampf einen oder gar mehrere Gegner gefangen nahm. Aber für Hermann würde er immer der kränkliche Fünf zehnjährige bleiben, ganz gleich, was er erreichte. Die eisgrauen Augen seines Vaters waren noch immer klar und sein Körper trotz der gut fünfzig Jahre groß und kräftig. Neben diesem Bären fühlte er sich schmächtig.
»Und die Bauern«, fuhr Hermann fort. »Zum Teufel, der Pöbel ist immer unzufrieden. Aber früher hätte es auch kein Bauer ge wagt, sich gegen seinen Herrn zu erheben. Die Hungersnot hat das in Flandern schon geändert, und unsere Leute werden davon gehört haben.«
Ulrichwusste, dass die Bauern ihn mittlerweile hassten. Früher hatte es ihm auch mehr Freude gemacht, durchs Dorf zu reiten. Aber darauf konnte er keine Rücksicht nehmen.
»Der Wein!«, brach Tobias den Bann.
»Jetzt nicht, du Tölpel!«, schrie Hermann ihn an. Tobias zog un ter dem unerwarteten Ausbruch den Kopf ein. Ulrich winkte ihm einzuschenken. Tobias gehorchte, nicht ohne seinem Herrn einen furchtsamen Blick zuzuwerfen. Seine Hand zitterte, und er ver schüttete etwas.
Die Adern auf Hermanns Stirn und am Hals schwollen an, er versetzte ihm eine Ohrfeige. Tobias hielt den Krug mit beiden Händen fest. Fluchtartig suchte er das Weite.
»Ich werde die Kosten hereinbekommen«, beteuerte Ulrich. Er wollte eine aufrechte Haltung einnehmen, aber es gelang ihm nicht ganz. »Und um Raoul werde ich mich auf dem Turnierplatz kümmern.«
Wütend winkte Hermann ab. »Ich werde selbst bei den Kämp fen antreten. Dann werden wir ja sehen, wie viel Schneid der junge Haldenberger hat.«
»Das ist nicht nötig!«, stieß Ulrich hervor. Alle Augen würden sich dann auf den legendären Hermann richten, der in der Schlacht von Göllheim gekämpft hatte. »Raoul wird Kaltenberg nicht le bend verlassen.«
11
Erst als Anna zu Raouls Zelt kam, das Gesicht noch gerötet, wurde ihr klar, was sie getan hatte. Ulrich würde ihr nie verzeihen, dass sie ihn geschlagen hatte. Männer hängten ihre Leibeigenen für weit weniger auf. Solange der Turnierfriede galt, war sie halbwegs sicher, aber danach würde sie besser verschwinden.
Die Gaukler hockten um das Feuer und brieten Fleisch. Auf ihre Frage nach Raoul grinste Steffen nur vielsagend. »Wenn du mich fragst, will er dich umbringen. Oder Ulrich. Nicht einmal etwas es sen wollte er vorher. – Wie war es denn
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