Die Gauklerin von Kaltenberg
unter die Leute, und sofort prügelten sich Kinder und Bettler darum. »Dieser Ulrich ist ehr geizig«, sagte sie, als der Burgherr und sein Vater ihnen entgegen kamen. »Ich weiß nicht, ob es klug war, das Turnier gemeinsam mit ihm zu veranstalten.«
Widerwillig bemerkte Ulrich, wie die Diener im Rittersaal mit der gewohnten Scheu nach seinem Vater schielten. Noch immer sahen sie in ihm den berühmten Kämpen, der in der Schlacht von Göllheim gekämpft hatte. Dabei tat Hermann nichts weiter, als sich über die Narren zu belustigen, die vor ihm mit Keulen auf einander einschlugen. Unter dem Tisch schnappten die großen Hunde nach den Fersen der Diener, und beinahe hätten die Töl pel deshalb die Rangordnung durcheinandergebracht: zuerst das Königspaar und die Herrschaft, die ihr eigenes Gedeck und Hum pen hatten. Dann kam das Gefolge an den Tafeln, die auf beiden Seiten an den Herrentisch anschlossen, und wo man sich jeweils zu zweit Becher und Schüssel teilte.
»Die Turnierkämpfer sind bereits eingetroffen«, versicherte Jutha, während sie der Königin vorlegte und Wein einschenkte. Aquamanile und Salzfass standen bereit. Dann bediente sie ihren Schwiegervater und ihren Gatten. Pagen brachten weitere Krüge, sie hatte ihnen offenbar eingeschärft, schnell bei der Hand zu sein. Ihr blasses Gesicht war erwartungsvoll gerötet, und ihre schma lenLippen hatten etwas Farbe. Ulrich bemerkte, dass sie keinen Schleier trug, ihr blondes, sorgsam zu Locken gedrehtes Haar war nur vom Gebende bedeckt. Für ihn putzte sie sich nie so heraus. »Der Graf von Dießen will morgen zur Frühmesse da sein, und Sifrid von Kühlenthal erwarten wir noch heute. Eine gehorsame Frau sollte ja auf ihren Gatten wetten, aber ich erwarte, dass der Graf die beste Lanze bricht«, scherzte sie sogar. »Am letzten Abend werden wir ein Bankett veranstalten, mit Tanz und Musik. Ich habe Spielleute, die alles spielen können, was in Mode ist.«
Die Narren warfen die Keulen weg, und wie um diese Worte zu bestätigen, begann der eine Feuer zu spucken. Der andere rannte hinaus und kam mit einem Bären wieder. Als er ihn dazu brachte, sich auf die Hinterbeine zu stellen, verzogen sich die Hunde kläf fend und jaulend. Ulrich hörte nur halb zu. Anna würde es büßen, dass sie ihn vor seinem Gesinde zum Gespött gemacht hatte, dachte er. Am meisten hatte ihn die Verachtung in ihren Augen ge troffen. Verachtung für ihn, den umschwärmten Kreuzritter, der in Preußen ein Turnier nach dem anderen gewonnen hatte! Von einer schmutzigen Bauerndirne, die ein Dutzend Mal unter ihm auf dem Rücken gelegen hatte!
»Euer Koch lässt mich diesen Krieg vergessen«, schmeichelte Ludwig der Hausherrin. Ulrich blickte auf. Auf einem blau bemal ten Brett wurde die Sülze aus hellen und dunklen Fischen in Form eines Karpfens aufgetischt. Ein zweiter Diener brachte getrock nete Weintrauben, Äpfel und Käse zum Dessert. Dann erneuerte Tobias das parfümierte Wasser im silbernen Aquamanile. »Soll ich den Hypocras gleich bringen?«, fragte er.
Ulrich nickte. Der heiße, mit Zucker und Zimt gewürzte Wein war der Schlusspunkt des Essens.
»Habt Ihr von dem Attentat auf den König gehört?«, wandte sich die Königin an Jutha. Sie hatte kaum etwas angerührt, ver mutlich war sie müde von der Reise. »Es hieß, Herzog Leopold wollte ihn durch den Überbringer eines Buches ermorden lassen. EineGauklerin hat den Plan vereitelt, indem sie es gestohlen hat. Eine schreckliche Geschichte.«
»Es würde mich wirklich interessieren, was das für ein Buch war«, meinte Ludwig, während er die Sülze kostete. »Ich würde dieses Mädchen zu gern ausfindig machen. Angeblich war es ein Liederbuch. Es wäre schön, wenn meine Spielleute etwas zum Besten geben könnten, das man woanders nicht hört.«
Ulrich horchte auf. Konnte Anna die Frau sein, von der der Kö nig sprach? Nachdenklich ließ er Jutha nachschenken, ohne seine Gattin eines Blickes zu würdigen. Anna hatte gesagt, sie hätte das Buch noch. Wenn er es dem König brächte, würde ihm das Aner kennung einbringen.
»Musik erregt die Wollust«, erwiderte Hermann. »Schon vor mehr als dreißig Jahren hat die Kirche Bücher mit obszönem und schwarzseherischem Inhalt verboten.«
Ludwig lachte. »Seit wann seid Ihr denn so streng? Die Leute hören das, was unsere frommen Männer Obszönitäten nennen, nun einmal für ihr Leben gern. Zum Beten ist die Kirche da. – Macht Musik!«, befahl er den Gauklern. »Und hebt
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