Die Gauklerin von Kaltenberg
wieder eingefallen. »Bring den Ritter her, du Narr!«
Als Raoul niederkniete, konnte er seine Ungeduld kaum be herrschen. Zu lange hatte er auf diesen Moment gewartet, seine ganzen Hoffnungen darauf gerichtet. Nur ein kaum spürbares Be ben seiner Nasenflügel verriet seine Gefühle, als er sagte: »Mein Anliegen betrifft Burg Kaltenberg.«
Mit seinen langen, knochigen Fingern strich sich der König durchs seidige Haar. »Eine Hofmark«, bestätigte er und erlaubte Raoul, sich zu erheben. »Vor zwei Jahren, als die Fehde zwischen Uns und Ludwig begann, wurde die Burg wieder instand gesetzt, weil sie nicht weit von Unseren schwäbischen Ländereien liegt. Sie gehört einem Ministerialen, einem Dienstmann der Wittels bacher …« Er suchte nach dem Namen.
»Hermann von Rohrbach«, fiel Leopold ein, der neugierig nä her getreten war. »Er ist in Wolfratshausen, um bei Herzog Ru dolf zu vermitteln. Sein Sohn Ulrich ist der Burgvogt und verwal tet zur Zeit alle Besitzungen der Rohrbacher. Was habt Ihr mit ihm zu schaffen?«
Schneller, als er gewollt hatte, antwortete Raoul: »Etwas, das mich zwingt, Euer Heer zu verlassen.«
Überrascht sah der König Leopold an. Abwartend verschränkte der die Arme. Vermutlich erschien ihnen seine Sprache ein wenig hochfahrend, gemessen an seinem Stand. Mit erzwungener Ruhe fragte Friedrich: »Seit wann kann Ludwig seine Männer besser be zahlen als Wir?«
Raouls Augen blitzten auf. »Da ich nur ein Lohnkämpfer bin, werdet Ihr mich leicht entbehren können«, presste er zwischen den Zähnen hervor. So nahe an seinem Ziel würde er sich von niemand mehr aufhalten lassen. Mit kaum verstellter Ironie fügte er hinzu:»Ein fahrender Ritter mag nicht so ehrenhaft sein wie einer, der Euch die Gefolgschaft geschworen hat. Aber dafür bindet ihn auch kein Eid. Ich habe kein Versprechen gegeben, also kann ich auch keines brechen.«
»Ihr kämpft wie der Teufel selbst, aber das gibt Euch nicht das Recht, Euren Herrn zu verraten.« Leopold schob seine Riesen gestalt dicht an Raoul heran. Offenbar wollte er ihm deutlich machen, wer hier das Sagen hatte. Er würde versuchen, die Ge folgschaft zu erzwingen, notfalls mit Gewalt. »Regelt Eure Ange legenheiten auf Kaltenberg, aber nicht jetzt. Wie jeder Ritter schuldet Ihr dem König Treue.«
Den Glauben an Ritterehre hatte Raoul schon lange verlo ren. Es fiel ihm schwer, aber er beherrschte sich. Mit stolzer Zu rückhaltung, die noch mehr zum Zorn reizte, erwiderte er: »Ich schulde ihm nicht einmal mehr Geld.«
Leopold schnaubte. »Ihr habt die Seele eines Vaganten! Man weiß ja, wie Ihr das Lechtor genommen habt: mit einem Gaukler trick!« Abfällig wies der Habsburger auf die Armbrust, die Raoul dem im Eingang wartenden Knappen gereicht hatte. »Der Papst hat diese Waffe mit einem Bann belegt. Sie ist eines Knechts wür dig, keines Ritters.«
Trotz seiner Verachtung für unehrenhafte Waffen hatte Leo pold nicht gezögert, durch ebendieses Lechtor einzufallen. Nur Raouls dunkle Augen verrieten seine Wut. »Auch die Steinschleu der eines Bauern kann das Leben eines Königs schützen. Ich bin nicht wählerisch, wenn es um meine Haut geht.«
Offenbar hatte Leopold noch nie derartige Widerworte be kommen. Es dauerte einige Herzschläge, bis er sich gesammelt hatte. Dann stieß er hervor: »Wir brauchen jeden Helm!«
»Um gegen Bauern und Bauernmädchen zu kämpfen?«
Leopold riss das Schwert hoch, doch Friedrich trat mit einem raschen Schritt dazwischen. Ein zorniger Blick traf Raoul.
»Ich hätte Lust, Euch in Ketten in die Wiener Hofburg zu schi cken!«Friedrichs Stimme zitterte, seine Lippen hatten sich zu einem Strich verdünnt. Er schien abzuwägen, aber der Kampf um die Krone war wichtiger als ein einfacher Ritter. »Dankt Gott für Euren mächtigen Fürsprecher«, zischte er endlich. »Und geht mir aus den Augen!«
»Zur Hölle mit Euch!«, schrie Leopold. Das Blut schoss ihm in die Narbe auf der Wange und rötete sie. Friedrich musste ihn ge waltsam festhalten, als er brüllte: »Ihr habt Eure Seele dem Teufel verschrieben!«
Damit konnte er durchaus recht haben, dachte Raoul. Er unterdrückte ein höhnisches Lächeln, verneigte sich förmlich und wandte sich zum Gehen. Leopold wollte ihm nach, doch Fried rich hielt ihn zurück.
»Verdammter Schurke!«, hörte Raoul den Bruder des Königs brüllen, als er die Treppe hinab und ins Freie ging. »Ich reiße Euch die schändliche Zunge heraus!«
Er war dankbar, als ihm die
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