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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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dann über den Sattel. Die Pferde tänzelten. Ulrich ließ seinem Gast den Vortritt. Unruhig biss sich Anna auf die Lippen.
    »Der Verlierer muss sein Pferd beim anderen auslösen«, erklärte Reingard. Sie hatte offenbar schon Erkundigungen eingeholt. »Aber es gefällt mir nicht, wie die beiden sich anstarren.«
    Anna wollte in Raouls Gesicht sehen, doch in diesem Moment griffer nach dem eisernen Helm mit dem schwarzen Federbusch und stülpte ihn über. Kurz blickte er auf, und Anna hatte das unangenehme Gefühl, er könnte alles von ihr sehen. Umgekehrt ließ der schmale Sehschlitz keinen Blick mehr in seine Augen zu. Er legte die Lanze auf den Arm und nickte. Hartmut, der bei seinem Roland stand, überprüfte noch einmal die Ausrichtung und rannte dann aus der Bahn.
    Angespannt verfolgte sie, wie Raoul seinem Rappen die Sporen gab. Alle Aufmerksamkeit auf sein Ziel gerichtet, hielt er sich sicher und elegant im Sattel. Sein schlanker Körper schien mit dem Pferd verwachsen, ihre Bewegungen waren eins. In vollem Galopp donnerte er auf den Roland zu und hob den Arm mit der Lanze.
    »Er mag ja mit dem Teufel im Bund sein«, bemerkte Reingard, »aber er macht eine gute Figur, was?«
    Auch die Augen der anderen Frauen verfolgten den schlanken Reiter in Schwarz mit unverhohlenem Interesse. Es machte Anna wütend. Sie schickte den frommen Wunsch zum Himmel, ihr Fluch möge sich jetzt und hier erfüllen und Raoul sich den Hals brechen.
    Mit ungebremster Wucht krachte die Waffe auf den Schild. Der Aufprall war so heftig, dass Raoul zur Seite geschleudert wurde. Der Roland drehte sich, der Aschesack flog herum. Dumpf prallte er gegen den Reiter und warf ihn aus dem Sattel.
    Anna stieß einen trillernden Triumphschrei aus. Wie aus einer einzigen Kehle brüllten die Zuschauer auf. Die Bauernkinder johl ten, und das Gesinde machte seiner Scheu vor ihm in Beschimp fungen Luft.
    Wütend klopfte sich Raoul den Schmutz vom Waffenrock. Das schwarze Haar fiel über seine Schultern, sein Helm lag einige Schritte weiter im Gras. Mit verzerrtem Gesicht betastete er seine Schulter.
    Lachend höhnte Anna: »Wenn er mit Hilfe des Teufels nichts Besseres zustande bringt, möchte ich nicht wissen, wie er ohne kämpfenwürde!« Er fegte mit der Hand über seinen Waffenrock und kam einen zornigen Schritt auf sie zu. Der Geruch des zerstampften Bodens und des Pferdes wehte herüber. Unvermittelt verstummten die Menschen, nur Anna hob trotzig das Kinn.
    Ulrich war nichts anzumerken. Er hatte den Sitz seines Helms überprüft, als sei nichts geschehen. Die Lanze senkrecht nach oben haltend, lenkte er den schweren Schimmel auf die Bahn. Atemlos verfolgte Anna, wie er angaloppierte, und ein Prickeln überlief sie. Auch Ulrich saß fest im Sattel, ohne dass die unhand liche Waffe schwankte. Schaum spritzte vom Maul des weißen Schlachtrosses, die Panzerung klirrte, der Blick hinter dem Seh schlitz war fest auf das Ziel gerichtet. Er senkte die Lanze. Mit ungeheurer Wucht, die durch die Masse des Streitrosses noch ver stärkt wurde, traf er, schlug dem Schimmel die Hacken in die Flanke – und entging dem Sack um Haaresbreite.
    Anna lachte und klatschte in die Hände. Stolz erfüllte sie, als alle ihm zujubelten. Schwankend richtete sich Ulrich im Sattel auf. Un willkürlich schweifte Annas Blick zu Raoul auf der anderen Seite der Bahn. Während alle den Burgherrn beglückwünschten, achtete niemand auf ihn. Er winkte Hartmut, ihm aufs Pferd zu helfen. Ehe er den Helm wieder aufsetzte, sah sie das verschlagene Lächeln um seine Lippen. Auf einmal trieb er den Rappen direkt auf die Schran ke zu. Mit einem gewaltigen Sprung setzte er darüber hinweg.
    Anna schrie empört auf. Obwohl sie nichts von Waffenspielen verstand, wusste sie: Das verstieß gegen jede Regel. Sie begriff auf einmal, dass er sie alle zum Narren gehalten hatte. Vermutlich hatte er sogar seinen Sturz bei dem Roland vorgetäuscht, um sie in Sicherheit zu wiegen! Die Dorfbewohner schrien und pfiffen durch die Zähne, als er dem Burgherrn nachgaloppierte.
    Ulrich fuhr herum, da erreichte ihn sein Verfolger. Raoul hob das Schwert und schlug mit voller Wucht zu. Im letzten Moment konnte Ulrich seine eigene Waffe hochreißen, aber er schwankte im Sattel. Während er noch um sein Gleichgewicht kämpfte, schlugRaoul seinem Schimmel die flache Klinge auf die Flanke, dass er einen Satz machte. In einer unglaublichen Wendung galoppierte er seitlich davon. Ein neuer Aufschrei ging durch die

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