Die Gauklerin von Kaltenberg
ihres zu bringen oder sie an den Brüsten zu berühren. Anna ließ sich ihren Ekel nicht anmerken, sie wusste, dass ihn das nur ermutigt hätte. An einem Wegkreuz hielt er sich links. Dort tauchte Burg Haltenberg vor ihnen aus dem Wald auf.
Sie überquerten einen Graben und ritten durch die Vorburg. Dahinter kam eine weitere Zugbrücke, die von einem trutzigen Bergfried aus Nagelfluh geschützt wurde. Eine Flucht war un möglich, dachte sie verzweifelt.
Man schien sie erwartet zu haben, denn der Waffenknecht ließ sie, ohne zu fragen, ein. Hinter der Kapelle öffnete sich ein Burg hof. Anders als in Kaltenberg war er allerdings mit Lechkieseln ge pflastert. Zur Linken erhob sich der Palas, der vermutlich den Fluss überblickte. Rechts schloss sich das Gesindehaus mit den Ställen an den Bergfried an, und wie in Kaltenberg befanden sich dort auch die Handwerksbuden. Anna sah einen Weber und einen Lederarbeiter neugierig die Nasen in den Hof stecken. Aber sie wirkten nicht, als sei von ihnen Hilfe zu erwarten.
Gernot nutzte die Gelegenheit, als er sie vom Pferd hob, um den Blick auf ihre Beine zu ermöglichen. Die Männer johlten, und Anna kam fast um vor Scham. Dann stieß er sie ins Gesindehaus eine schmale Treppe hinunter. Unwillkürlich hielt sie sich an ihm fest, was ihn zu einem Griff nach ihrem Hintern ermutigte. Blind lings tappte sie in der Dunkelheit vorwärts, mehr gestoßen als lau fend. Sie taumelte in eine fensterlose Kammer, und die Tür fiel hinter ihr ins Schloss.
Fröstelnd schlug Anna die Arme vor die Brust. Durch Mauerritzen drang spärliches Licht herein, und ihre Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dunkelheit. Es stank wie in einer Latrine, dieGerüche nach Schimmel und Fäulnis mischten sich darunter. Sicher war Haltenberg nicht groß genug für ein eigenes Verlies. Der Ort wirkte eher wie eine länger nicht genutzte Abstellkammer. Ihr Fuß berührte etwas Weiches, und Verwesungsgestank stieg auf. Keuchend wich Anna an die Wand zurück. Eine tote Ratte, versuchte sie sich zu beruhigen.
Stundenlang hockte Anna in der Dunkelheit. Sie legte die Arme auf die angewinkelten Knie und presste die Stirn darauf. Tausend mal hatte ihre Mutter sie gewarnt, dass ein Mädchen es büßen müsse, wenn es vom Weg der Tugend abkam. Hatte sie recht ge habt und Gefühle waren nichts als eine Versuchung des Teufels?
Stöhnend lehnte sie sich an die kalte Wand. Die Feuchtigkeit drang überall durch ihre Kleider. Ein bohrendes Hungergefühl er innerte sie daran, dass man sie vor dem Morgenbrei weggebracht hatte. War alles ihre Schuld? Allzu oft hatte sie sich schon anhören müssen, mit ihrem roten Haar sehe sie aus wie eine Hexe. Und sagte man nicht von den Hexen, dass sie Unheil anrichteten, auch ohne es zu wollen? Zitternd vor Kälte rief sie sich das Halbdunkel in Ulrichs Rittersaal ins Gedächtnis. Seine Blicke, wenn sie sich auf dem Hof begegneten, seine Küsse, wenn sie sich in einem verbor genen Winkel hungrig nahmen, wonach sie sich den ganzen Tag gesehnt hatten. Sie sehnte sich nach ihm, und der Gedanke, er könnte sie verstoßen haben, war unerträglich.
Schritte näherten sich. Als die Tür sich öffnete, sah Anna im her einfallenden Licht Kot. Stinkende Flecken bewiesen, was sie schon geargwöhnt hatte: der Raum wurde als Gelegenheitsverlies benutzt. Zwei Männer kamen herein, ein weiterer blieb in der Tür stehen. Sie zog die Cotte über die Beine. Fahrig strich sie das Haar hinter die Ohren und wünschte sich ihr Kopftuch, um es zu be decken.
Ein hageres Männchen mit einem Kienspan trat herein, vermutlich der Burgkaplan. Eine Bundhaube hob seine schnüffelnde Rattennase ungünstig hervor. Als sie den zweiten sah, sprang sie erleichtertauf, um dann enttäuscht zu seufzen. Es war nicht Ulrich. Er war älter und kräftiger gebaut, wenn auch die Ähnlichkeit unverkennbar war. Anna hatte Hermann von Rohrbach vor Jahren das letzte Mal gesehen, doch jetzt erkannte sie ihn wieder. Es überraschte sie, dass er hier war, sie hatte ihn im Gefolge des Königs geglaubt. Aber ihr Puls schlug ruhiger. Ganz gleich warum man sie hergebracht hatte, er war Ulrichs Vater.
»Ruft mich, wenn Ihr so weit seid«, befahl Hermann. Ein kur zer Blick streifte Anna, dann verschwand er nach draußen. Der Kaplan und der Mann im Eingang blieben zurück. Beunruhigt er kannte sie Gernot.
»Ich bin keine Hexe«, beteuerte sie. Es war ihr unangenehm, in den feuchten Kleidern vor dem Geistlichen zu stehen, die ihre Konturen
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