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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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Wand. »Hör auf!«, schrie sie. Die ro ten Locken klebten an ihren Wangen. »Du bringst ihn ja um!«
    Der Burgherr versetzte Falconet einen Tritt, der ihn sich zu sammenkrümmen ließ. Doch dann ließ er von ihm ab. »Das ist alles Eure Schuld!«, brüllte er Raoul an. »Verschwindet von mei ner Burg, wessen Günstling Ihr auch sein mögt! Ihr und dieser Landstreicher!«
    Raoultrat dicht an ihn heran. »Ihr glaubt, Ihr könnt es be enden, aber es ist zu spät«, drohte er. Unverhohlener Hass stand in den schwarzen Augen. Ein Seitenblick traf Anna und ließ ihr einen kalten Schauer über den Rücken laufen. »Das gilt auch für dich.«

11
    In dieser Nacht wälzte sich Anna ruhelos von einer Seite auf die andere. Neben ihr im Bett schnarchte Gertraut, aber durch die un dichten Fensterläden konnte sie die streitenden Stimmen aus dem Palas hören. Sie war zu weit gegangen. Ob sie es gewollt hatte oder nicht, Ulrich hatte seine Gemahlin wegen einer Bauernmagd of fen gedemütigt. Eine Frau von Juthas Stand konnte diese Belei digung nicht vergessen. Anna war froh, dass ihr Geliebter sie be schützte. Etwas krachte plötzlich, eine Frau schrie, und sie fuhr im Bett hoch. Beunruhigt lauschte sie in die Nacht hinaus. Jemand lief zum Tor, sie hörte die Angeln quietschen, aber der Sturm heulte so stark, dass sie die Geräusche nicht einordnen konnte. Irgend wann fiel sie in einen unruhigen Schlaf.
    Als sie am nächsten Morgen die Stiege herabkam, versprach der Duft nach frisch gebackenem Brot und saurer Milch schon den Morgenbrei. Wind fegte vertrocknete Blätter über den Hof, aber der Sturm hatte sich gelegt. Weiße Wolken zogen über den hell blauen Himmel, es würde ein schöner Tag werden. Gähnend hockten die Handwerker vor ihren Buden, und im Stall wieherte ein ungeduldiges Pferd. Sie war spät heute, und vor dem Essen mussten noch die Tiere getränkt werden. Anna zog das Kopftuch über die Zöpfe und wollte an Gernot vorbei, doch der Knecht hielt sie fest.
    Mehr belustigt als zornig sah sie auf. »Bist du betrunken?«
    Grinsend entblößte er ein paar faulige Zahnlücken. Sie begann zu schreien und sich zu wehren, doch gegen die muskulösen Arme konnte sie nichts ausrichten. Er kümmerte sich nicht um ihren Protest, sondern stieß sie unsanft zum Torhaus.
    »Dahabt ihr sie!«, lachte er dröhnend und warf sie auf den Bo den. Anna stürzte, beinahe wäre ihre Hand im Pferdemist gelan det. Johlend kamen die andern Knechte näher. Aus verschmier ten Gesichtern warfen sie ihr lüsterne Blicke zu, einer schnalzte mit der Zunge.
    Im ersten Moment war sie so überrascht, dass sie sich nicht ein mal aufrichtete. Tausendmal hatte sie mit diesen Männern gelacht und getrunken. Vergeblich suchte sie ihr Kopftuch, sie musste es verloren haben. »Was fällt euch ein!«, schrie sie. »Ulrich hat euch verboten …«
    »Ulrichs Vater hat befohlen, dich als Hexe auf seine Burg Hal tenberg zu bringen«, grinste Gernot und zog sie auf die Beine.
    Anna erschrak zu Tode. »Das ist unmöglich!«, flüsterte sie.
    Er bog ihren Kopf gewaltsam zurück und drückte ihr einen Kuss auf. Der Gestank von abgestandenem Bier stieg ihr in die Nase, ihr Körper versteifte sich. Die Knechte lachten, und er riss ihr das Leintuch aus dem Gürtel. Überrascht schrie sie auf und versetzte ihm eine Ohrfeige. Wieder lachten die Männer, aber Gernot schlug sie so brutal, dass sie gegen die Wand geschleudert wurde. Sie rang nach Luft, spürte eine warme Spur Blut von der Augen braue über ihre Wange rinnen. In der leichten Cotte zitterte sie vor Kälte. Mit weit geöffneten Augen sah sie verständnislos von einem zum anderen. Nur ein Gedanke wiederholte sich in ihrem Kopf: Warum?
    Gernot zerrte sie so dicht zu sich heran, dass sie seinen Atem riechen konnte. »Ein Jammer, dass der Herr verboten hat, uns mit dir zu vergnügen!«, zischte er. »Aber trotzdem wirst du gleich nichts mehr zu lachen haben.«
    Der Ritt nach Burg Haltenberg am Lech war nur wenige Meilen weit, doch Anna kam er vor wie eine Ewigkeit. Sie fror erbärmlich. Der Weg führte die meiste Zeit durch dichten Wald. Zwischen den glühend roten, raschelnden Blättern wurden Eicheln und Zapfen unterden Hufen beiseitegeschleudert. Dornen zerrten an ihrem Kleid, und der Geruch nach feuchtem Erdreich und fauligen Pilzen hing in der Luft. Sie folgten der Hauptstraße, und immer wieder flog Anna gegen Gernot, wenn das Pferd in eine Karrenspur trat. Er nutzte es, um sein unrasiertes Gesicht näher an

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