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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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der Beute gestohlen!«, brüllte der Knecht. Heinrich von Wolfsberg hinkte näher und betrachtete ihn verächtlich. Dann hat wohl der Heilige Geist das Brustkreuz des Pfaffen in dein Säckel gelegt, dachte er. Er machte sich nicht das Geringste ausVerrat. Aber von den Männern, die ihn bei seinen Plünderungen begleiteten, verlangte er absoluten Gehorsam. Diebe konnte er nicht brauchen.
    Schwere Stiefel kamen die Stufen herab, und mit einer Hand bewegung gebot er dem Schinder Einhalt.
    Raouls Schritte verlangsamten sich, als er die Treppe herabkam. Er war zu Tode erschöpft, hatte ohne Rücksicht auf das Wetter sein Pferd fast zuschanden geritten. Seit letztem Herbst hatte er den Fraß gemieden. Heinrich war ein Trinker und ein Straßenräu ber, er verachtete ihn. Aber vielleicht war er gerade deshalb nun die richtige Gesellschaft. Es gab keinen anderen Ort mehr, wohin Raoul noch gehen konnte. Frierend schlug er den dunklen Reise mantel um den Leib. Seine Augen waren trotz der Müdigkeit weit geöffnet. Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen, und das raue Kratzen machte ihm bewusst, dass er zum ersten Mal seit Wochen unrasiert war.
    »Was immer Ihr wollt, macht es kurz!«, begrüßte ihn der Fraß. Seine anfängliche Scheu vor dem Fremden hatte sich verloren. »Ich habe zu tun, wie Ihr seht!«
    Raouls fiebrige Augen bemerkten, dass seine Knechte sich an die Wand zurückzogen. Mit dumpfer Stimme erzählte er, was er von Gernot erfahren hatte. Immer wieder bebten seine Lippen dabei, und er kämpfte gegen das Schwanken seiner Stimme. Er konnte das gefährliche Feuer, das ihn hergetrieben hatte, nicht zu rückhalten, es glomm in seinen Augen auf.
    »Euer Vater – ein hingerichteter Mörder?« Der Fraß lachte dröhnend. »So gefallt Ihr mir, Raoul! Das ist der Mann, den ich schätze – der, von dem die Leute sagen, dass er mit dem Teufel im Bund ist! Das höfische Gehabe stand Euch nie zu Gesichte.«
    Er wollte ihm auf die Schulter schlagen, doch Raoul fegte seine Hand weg. Dann schlug er die Fäuste in den Lederhandschuhen gegen die Mauer und presste die Stirn dagegen.
    »Alles,wofür ich gekämpft habe … wertlos!« Ein Geächteter stand nicht schlechter da als er. Er hatte keine Rechte, keine Fa milie, nicht einmal einen Namen. Ein Hund, der einen Herrn be saß, war vor dem Gesetz mehr wert. Raoul blickte auf, und das Fa ckellicht tauchte alles vor seinen Augen in rotes Licht.
    Der Fraß frischte seine Erinnerung mit etwas Met auf. »Ich kann Euch nicht viel dazu sagen«, meinte er und wischte sich die Lip pen. »Kaltenberg gehörte den Herren von Haldenberg, das stimmt. Sie waren Dienstmannen der Wittelsbacher. Ich bin ihnen einmal begegnet, als sich Ludwig von Baiern das Land mit seinem Bruder aufteilte. Mag sein, dass einer einem Rohrbacher die Kehle durch geschnitten hat. Aber fragt mich nicht, wer. Damals saß ich im Turm meines Nachbarn. Der Narr behauptete, ich hätte ihn um dreißig Rinder erleichtert.«
    Raoul versetzte der Fackel einen Schlag, dass sie aus der Halte rung flog. Das Stroh glomm auf und qualmte, dann erstickte die Flamme. In seinem Kopf pochte verführerisch der Gedanke, der ihn den ganzen Ritt hierher beherrscht hatte, während der Wind den Regen in sein Gesicht peitschte: sich zu rächen an der Welt, in der nur die Herkunft eines Mannes zählte.
    Der Fraß schien seine Gedanken zu erraten. Anerkennend pfiff er durch die Zähne. »Ich frage nicht nach den Ahnen meiner Män ner.«
    Raoul lachte hart. »Sollen wir es darauf ankommen lassen, Heinrich? Wir beide würden keine Woche warten, endlich zu klä ren, wem von uns beiden der Vorrang gebührt.«
    »Wärt Ihr hier, wenn Ihr nicht genau daran gedacht hättet?« Die Schatten an den glänzenden Wänden bewegten sich. Heinrich nahm einen tiefen Zug, dann reichte er ihm das Horn. In seinem Bart glänzte ein Tropfen, und der Geruch des Mets wehte mit dem kalten Kerkerhauch herüber. »Ein Drittel der Beute für Euch. Das ist ein großzügiges Angebot.«
    Raoul nahm das Horn, ohne es zum Mund zu führen.
    »Ichkann Euch brauchen, denn …« Heinrich ging hinüber zu dem Knecht, der noch immer am Boden hockte. Er hob das Schwert und trennte die Hand mit einem gewaltigen Streich ab.
    Der Knecht brüllte wie ein Tier. Rhythmisch strömte das Blut auf die Kleider des Wolfsbergers. Ohne mit der Wimper zu zucken, drehte der Fraß die Waffe und hieb ihm das Genick durch.
    Mit stummem Entsetzen wichen die anderen Knechte zurück, als der

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