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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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leid«, flüsterte sie. Die Enttäuschung drohte sie zu ersticken. Ulrich hatte recht, aber es schnürte ihr trotzdem die Kehle zu. Lieber wäre sie gestorben, als einem anderen als ihm zu gehören.
    Er kam heran und kniete neben ihr nieder. »Also gut. Finde den Mann, der dieses Lied geschrieben hat. Er wird für dich bürgen.« Anna blickte auf. Seine Augen waren immer undurchsichtig ge wesen, aber jetzt hatte sie das Gefühl, dass er sie nicht wirklich an sah. Etwas war nicht richtig, wie ein falscher Ton, der sich auf ein mal in ihre Begegnung mischte.
    Er nickte ihr zu, stand auf und warf den Mantel über. »In ein paar Tagen bin ich wieder hier, dann sehen wir weiter.«
    »Und Raoul?«, fragte Anna nachdenklich. »Ich habe ihn verra ten. Ein Grund mehr für ihn, sich an mir zu rächen.«
    Ulrich hatte die Tür schon fast erreicht. Jetzt blieb er stehen. »Raoul ist ein Narr«, entgegnete er endlich. Unversöhnlicher Hass bebte in seiner Stimme, und unwillkürlich erinnerte er Anna an seinen Rivalen. »Sein jämmerliches Dasein verdankt er nicht mei nem Vater, sondern dem Fehltritt eines Mörders. Dieser Feigling entzog sich damals der Rache des Königs und floh nach Tirol. Selbst wenn Raoul sein natürlicher Sohn wäre, hätte er kein Recht auf Kaltenberg.«
    Überrascht starrte sie ihn an. »Weiß Raoul das?«
    Er öffnete die Tür und lachte humorlos. »Wenn er es wüsste, würde er uns beiden die Kehle aufschlitzen. Aber er hat sich dem Gericht entzogen, wie damals sein Vater. Die Leute sagen, er war krank, und es war Winter. Mit etwas Glück ist er längst tot.«

5
    »Da bleibst, du Zechpreller!« Unterhalb des Dombergs flog eine Tür auf und schlug krachend gegen den Verputz. Mit rotem Ge sicht erschien Ulrichs Knecht Gernot, eine bauchige Holzflasche unter den Arm geklemmt. Er nestelte an seiner Bruche, hinter ihm stürzte eine grell geschminkte Frau heraus.
    »Erst saufen und huren und dann nicht bezahlen, das könnte dir so passen!«, keifte sie. Sie packte ihn am Kragen und schlug auf ihn ein. Der Knecht kramte ein paar Münzen aus dem Beutel, aber das Weib hielt weiter die Hand auf. Im Mondschein sah man un ter ihrem überschminkten Gesicht die Ahnung früherer Schön heit. Doch Hunger, Schläge und vermutlich die Folgen mehrerer von Quacksalbern abgebrochener Schwangerschaften hatten sie früh welken lassen. »Ich muss dem Freiwirt den Pfennig geben«, verlegte sie sich aufs Bitten.
    »Was habe ich damit zu schaffen?«, erwiderte er. Vorhin auf ih rem Lager war sie recht anstellig gewesen, auch wenn sie sich ein wenig gewehrt hatte, als er sie härter herangenommen hatte. Aber jetzt wollte er sie nur noch loswerden. Mit einer kräftigen Ohrfeige befreite er sich und torkelte davon.
    »Zum Teufel mit dir, Betrüger!«, schrie sie ihm nach.
    Gernot war längst um die Ecke gebogen, um zum Stift St. Veit zu torkeln, wo ihn Herr Ulrich vermutlich schon grimmig erwar tete.
    Voller Selbstmitleid drückte er den Fusel an sich. Sein Rü cken schmerzte von den Prügeln, und selbst ihm fiel der Gestank auf, den er verbreitete. Er blieb stehen, um sich zurechtzufin den.
    Dersumpfige Seitenarm der Moosach verlief unterhalb des Dombergs, mitten durch die verschlungenen Gassen der Bürger stadt. Tief herabhängende Dachfirste bargen die Häuser in tiefe Nacht. Irgendwo wühlte ein Schwein im Unrat. Gernot erinnerte sich an den waghalsig übers Wasser gebauten Erker, wo ein In strumentenbauer seinen Laden hatte. Die Nacht war neblig und die spuckende Fettlampe kaum zu sehen.
    Er taumelte weiter, als eine schlanke Gestalt lautlos wie ein Wolf auf ihn zukam. Überrascht wollte er sich den Alkohol schleier von den Augen wischen, doch der Mann war bereits her an. Als Gernot das Gesicht mit dem ausrasierten Bart erkannte, war er schlagartig nüchtern.
    Raoul versetzte ihm wortlos einen Schlag, der ihn rücklings auf den Bach zutorkeln ließ. Um ein Haar wäre der Knecht ins Was ser gestürzt. Raoul stand aufrecht über ihm. Nur der leichte Wind bewegte den Saum seiner Cotte. »Du hast wohl nicht geglaubt, mich noch einmal lebend wiederzusehen«, zischte er.
    Mit einem Schlag kamen Gernot alle Geschichten in den Sinn, die man sich mittlerweile über diesen Mann erzählte: Er sei von Luzifer selbst aufgezogen worden, schwarze Mächte stünden ihm zu Gebote. Die beherrschte Kraft, das teuflische Lächeln auf den Lippen, die schwarzen Locken, die ihm in das bleiche Gesicht fie len, riefen dem Knecht diese Mären

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