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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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überdeutlich ins Gedächtnis. Als er Raoul zuletzt gesehen hatte, war er so gut wie tot gewesen. Satan allein konnte ihn wieder zum Leben erweckt haben.
    Stöhnend kam Gernot auf die Beine und hielt sich den geprellten Arm. »Ich bin in Eurer Hand«, brachte er hervor. »Verhaltet Euch wie ein Ritter.« Ein neuer Schlag, der ihn gegen die Hauswand schleuderte und nach Luft schnappen ließ, belehrte ihn, was Raoul vom ritterlichen Ehrenkodex hielt. Gernot kämpfte gegen die Panik. Im Verlies von Kaltenberg, als der Fremde in ihrer Gewalt gewesen war, hatten die Knechte ihrer angestauten Angst Luft gemacht und ihn mit Tritten und Schlägen traktiert. Als Bas tard warRaoul kein Edler, er hatte keinen Anspruch auf eine ehrenhafte Behandlung.
    »Also«, sagte Raoul. Seine Stimme zitterte von der kaum be herrschten Wut. Der gnadenlose Ausdruck in den dunklen Augen war erschreckend. »Wo du bist, wird dein Herr nicht weit sein. Wo ist er? Und ist Anna wieder bei ihm?«
    »Zum Teufel!«, stöhnte der Knecht. »In der Stadt des Bischofs sind Fehden verboten.«
    Raouls Lippen hoben sich leicht über den Zähnen. Es ein Lä cheln zu nennen wäre zu viel gewesen.
    »Was wollt Ihr von mir? Lasst Gott richten!«, stieß Gernot in Panik hervor. Sein Körper schmerzte vom Alkohol und den Prü geln, und in seinem Kopf rauschte es.
    »Gott!« Raoul warf den Kopf in den Nacken und lachte laut auf. Dann wurde er wieder todernst. »Zum letzten Mal: Wo sind Ul rich und Anna?«
    Dieser schlanke junge Mann hatte etwas an sich, das den kampferprobten Knecht zurückweichen ließ. Dabei trug Raoul nicht einmal eine Waffe. Er musste sich sehr sicher fühlen. Gernots tückische Augen folgten ihm, erhitzt vom Fusel. Raouls schlanke Gestalt hob sich deutlich aus dem hellen Nebel, ein gutes Ziel. Herr Ulrich hatte ihn schon einmal gefangen gesetzt, und die Schwarzen Mächte hatten ihm damals nicht geholfen. Und unbe waffnet konnte selbst der Teufel nichts gegen einen erfahrenen Krieger ausrichten. Mit plötzlichem Mut riss Gernot das Messer aus dem Gürtel.
    Als hätte er die Bewegung geahnt, wich Raoul dem tödlichen Stoß aus. Von der eigenen Wucht herumgerissen, taumelte Ger not. Haltsuchend packte er die Kleider des Ritters, und beide stürz ten in die Moosach.
    Das Wasser umspülte knietief Raouls Lederstiefel. Er warf das nasse Haar aus dem Gesicht. Langsam wich er zurück, doch eine niedrige Brücke hinter ihm versperrte ihm den Weg.
    Gernotspuckte Algen aus und hustete Schleim und Wasser. Er neut stieß er zu. Raoul wich in einer gleitenden Bewegung aus. Mit unheimlicher Schnelligkeit blockte er den Angriff ab und hebelte ihm die Waffe aus der Hand. Gernot spürte die Spitze auf seiner Brust. Der ausrasierte Bart war so dicht vor ihm, dass er den Atem spüren konnte. Der erbarmungslose Hass in den dunklen Augen galt Ulrich, doch der Knecht begriff, dass er diesen Ort nicht lebend verlassen würde. Aber ehe der Teufel ihn holte, würde er Raouls Hoffnungen zerstören!
    »Ihr habt kein Recht auf Kaltenberg!«, höhnte er und spie den Speichel aus. »Euer Vater war ein Mörder! Man hat ihn gehängt wie einen Hund!«

6
    Ein Schrei hallte durch das fensterlose Gewölbe auf Burg Wolfs berg. Neu in die Wand eingelassene Ringe bewiesen, dass es als Verlies genutzt wurde, um von wohlhabenden Bewohnern des Lechrains Lösegeld zu erpressen. Nicht einmal das Krähen der Hähne drang hier herein, nur ein fahler Schimmer von der Treppe her verriet, dass es Morgen war. Das schimmelnde Stroh am Bo den verbreitete einen betäubenden Gestank.
    Der Knecht hockte auf dem Boden. Das graue Gesicht war von Schweißspuren und Blut überzogen. Keuchend versuchte er seine Hand zurückzuziehen, die der Schinder mit einem Lederband umwickelt hatte und unerbittlich auf dem Baumstumpf festhielt. Alle Augen waren nach der heutigen Plünderung vor Müdigkeit gerötet. Doch der Fraß ließ niemanden schlafen, ehe nicht alles erledigt war.
    »Erbarmen, Herr!«, schrie der Knecht. Aber Entsetzen erregte schon lange kein Gefühl mehr in Heinrich von Wolfsberg. In den Jahren hatte er mehr Dinge gesehen, als sich der grausamste Ver stand auszumalen vermochte. Hastig stürzte er den Met aus seinem Trinkhorn herunter, und seine eiskalten Glieder durch strömte wieder Wärme. »Erbarmen«, spottete er. »Dafür sind die Pfaffen zuständig.«
    Er nickte dem Schinder zu. Die Fackeln warfen Schatten und ließen die Gegenwehr des Gefangenen lebhafter wirken.
    »Ich habe nichts von

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