Die Gauklerin von Kaltenberg
Steinkugel gehalten wurde, hatten sich aus den Verankerungen gelöst. Ulrich hätte dem König liebend gern gesagt, dass sie mehr Belagerungs maschinen brauchten. Mit Belagerungstürmen hätten sie die Ho henlohe längst erobert, dachte er. Aber niemand konnte sich diese gewaltigen Konstruktionen leisten, außerdem war das Gelände zu hügelig. Sie mussten sich mit den sogenannten Katzen begnügen: geflochtenen Dächern, in deren Schutz sie nahe an die Mauern kamen.
Er kniete nieder, als er die große Gestalt mit rötlich blondem Haar erkannte. In Rüstung und im blauen Waffenrock mit weißen Kreuzen sah Ludwig mehr denn je wie ein Ritter aus. Leichtfüßig kamer heran, als hätte der schwere Panzer kein Gewicht, und warf den Knechten, welche die Sturmleitern zusammensteckten, einen Scherz zu. Als Ulrich den weißen Mantel mit dem schwarzen Kreuz beim König bemerkte, presste er die Lippen aufeinander.
»Gott steh mir bei, das ist alles, was ich für das Geld bekom me?«, scherzte Ludwig. Er legte die Hand auf den Tribok und überzeugte sich, dass alles gerade war. »Das ist gute Arbeit.«
Es war zu wenig, dachte Ulrich verärgert. Nach dem Winter waren sie nach Nürnberg gezogen, um sich der Unterstützung des Burggrafen zu versichern und die Kurfürsten von Mainz und Trier zu treffen. Jetzt wollte Ludwig ausnutzen, dass die Österreicher in der Schweiz eine Schlappe erlitten hatten. Es war eine gute Gele genheit, Friedrichs Verbündete unter Druck zu setzen. Nur kosten sollte der Krieg möglichst nichts.
»Das Staatssäckel ist leer«, sagte der Deutschherr prompt. »Wir müssen Pferde und Kriegsgerät schonen. Denkt morgen daran!«
»Mit Feigheit werden wir nie ein Ende des Kriegs erreichen«, fiel ihm Ulrich ins Wort.
In den hellen Augen des Deutschherrn blitzte ein gefährliches Feuer. Seine Hand zuckte zum Schwert, doch wider Erwarten be herrschte er sich. »Ihr müsst es wissen«, erwiderte er. »Es ist Eure Familie, die am liebsten gegen Frauen kämpft.«
Voller Hass riss Ulrich das Schwert hoch.
»Genug!«, befahl der König. »Ich dulde keine Fehde mehr!«
Ulrich starrte seinen Gegner wütend an, der Deutschherr erwi derte den Blick ebenso. Dann ließ der Jüngere das Schwert sinken.
»Wir greifen mit dem Sonnenaufgang an«, sagte Ludwig ruhi ger. »Ihr solltet besser schlafen. Und ich werde keine Pferde sinn los aufs Spiel setzen«, wandte er sich scharf an Ulrich. »Wenn der Tribok getroffen wird, ist diese Belagerung zu Ende.«
Der Morgen brach an, als das Heer langsam vorrückte. Über den blitzenden Rüstungen trugen die Angreifer dunkle Kapuzenmän tel.Geduckt hasteten sie über das gerodete Feld. Erde klebte an ihren Füßen und machte das Gehen schwer, ein eisiger Wind strich über ihre Gesichter. Ulrichs Finger, die sich um den Anderthalbhänder klammerten, waren trotz der Handschuhe steif vor Kälte. Der Rammbock, ein mit Eisen verstärkter Baumstamm, wurde unter dem Schutzdach der Katze dorthin gebracht, wo die Mauer bereits getroffen war. An dieser Stelle hatten sie den Burggraben mit Bäumen, Steinen und Erde aufgefüllt, so gut es ging. Das Weidengeflecht war mit feuchten Grassoden vor Brandpfeilen geschützt. In der Dämmerung war das Banner des Königs in der Mitte kaum zu erkennen.
Ein Licht blitzte auf den Mauern auf. Wachsam duckte sich Ul rich unter seinen Schild. Sie hatten den Graben fast erreicht, die turmhoch geschichteten Quader ragten vor ihnen aus der Däm merung. Er konnte bereits das Pech riechen. Hastig winkte er die Knechte mit den Sturmleitern heran.
Auf den Mauern war ein überraschter Ausruf zu hören. »Zu den Waffen!«, brüllte jemand. Eine Fanfare erklang.
Die Männer des Baiern begriffen sofort, dass sie entdeckt wa ren. Nun kam es auf Schnelligkeit an. Ulrich brüllte einen Befehl, die Knechte rannten mit den Sturmleitern herüber. Geduckt un ter ihre Schilde, versuchten sie die Leitern über den Graben und an die Mauern zu legen.
Ein Regen messerscharfer Pfeile ging auf sie nieder, und Ulrich riss den Schild hoch. Er wusste, dass die Geschosse selbst eine Rüstung mit Leichtigkeit durchschlugen. Der schwere Aufprall warf ihn fast zu Boden. Eine Spitze drang durch den eisenverstärkten Schild hindurch, erschrocken hob er den Arm höher. Überall hörte man nun Schreie und Wimmern der Getroffenen. Neben ihm steckte ein Schaft im Hals eines Knechts und erstickte jedes Wort in einem gurgelnden Schwall Blut. Der Mann war förmlich gespickt mit Pfeilen. Aber
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