Die Gauklerin von Kaltenberg
blutüberströmte Körper ihres Gefährten vornüber in eine stinkende Pfütze kippte. Heinrich von Wolfsberg warf das Schwert weg. Seine behaarten Arme waren mit dunklen Tropfen gespren kelt. Kalt vollendete er: »… mir fehlt ein guter Mann.«
Raouls Hand krampfte sich um das Trinkhorn. Vorhin, als der kalte Wind an seinem regennassen Haar gezerrt und ihm ins Ge sicht geschnitten hatte, war er sich seiner Sache sicher gewesen. Aber jetzt dachte er an Kaltenberg. Menschen, die schreiend vor ihm flohen, der Geruch von Qualm und Blut. Und das Mädchen mit dem roten Haar, auf dem die Flammen glänzten. Lebhaft er innerte er sich, wie sie ihm zitternd vor Hass den Fluch entgegen geschleudert hatte. Er hatte gehofft, der Schmerz würde aufhören, wenn er solche Bilder nur oft genug gesehen hätte. Doch in die sem Moment begriff er, dass er sie schon viel zu oft gesehen hatte. Er würde niemals sein wie Heinrich von Wolfsberg.
Die Stille wurde bedrückend. Ruhig erwiderte Raoul: »Ich bin nicht gekommen, um den Platz eines Eurer Knechte einzuneh men.«
Wortlos senkte er den Kopf zum Gruß und stellte das Trinkhorn ab. Dann warf er den Mantel über die Schulter und stieg mit siche ren Schritten die Stufen hinauf. Jede unebene Stufe brachte ihn dem Tageslicht näher.
Hinter sich hörte er den Fraß am Treppenabsatz keuchen. Mit überschnappender Stimme brüllte er ihm nach: »Das werdet Ihr bereuen, Raoul! Habt Ihr gehört! Diese Beleidigung werdet Ihr mir bezahlen!«
7
Vor der Rundmauer von Burg Weikersheim verrieten hastig ab gesägte Baumstümpfe, dass die Verteidiger die Umgebung erst kürzlich gerodet hatten. So konnte sich ein feindliches Heer nicht im Wald verstecken. Es war der Mühe wert gewesen: Unversehrt ragte der Bergfried auf, nur in der Nähe des Tors verrieten die nie dergebrannte Vorburg und Bruchstellen in den Mauern, dass Ka tapulte ihr zerstörerisches Werk begonnen hatten. Der von der Tauber gespeiste Wassergraben ließ Rammböcke nicht heran kommen, und hinter der Burg erhob sich ein Hügel. Die Waffen knechte, die oben auf den Wehrgängen durch die Scharten blick ten, waren zuversichtlich. Seit Tagen lag Ludwig von Baiern nun schon vor der Burg. Aber Kraft von Hohenlohe, ein Verbündeter König Friedrichs, hatte sich auf seinem Stammsitz gut verschanzt. Die Mauern waren stark, die Vorratskammern gefüllt und Ludwig nicht gerade für seine Ausdauer bekannt.
»Kein sehr ruhmreiches Ziel.« Ulrich von Rohrbach stand am Waldrand und ließ seine Blicke über Ludwigs Lager schweifen. Wimpel und Fahnen in Weiß und Blau verrieten, wo das Zelt des Königs lag. Darum gruppierten sich die der adligen Ritter und Mi nisterialen, weiter abseits lagen die notdürftigen Hütten der ein fachen Krieger. Überall quoll Rauch auf. Klirrend putzten Reit knechte am Geschirr der Pferde, irgendwo hörte man das schrille Lachen einer Trosshure. Noch hing der Duft des frisch geschla genen Holzes in der Luft und mischte sich mit Qualm und Essensdünsten.
Wieder fragte er sich, was nun mit Anna werden sollte. Am Anfang hatte sie ihn gereizt, weil sie hübsch war und schwer zu bän digen.Aber sie war auch die erste Frau gewesen, die ihn spüren ließ, dass sie ihn wollte – und nicht seine Güter oder seinen Einfluss. Zuletzt in Freising war sie verführerischer gewesen denn je. Er erinnerte sich, wie sie ihn mit halbgeschlossenen Lidern angesehen hatte. Wie das Zittern ihres warmen Körpers verraten hatte, dass sie seine Berührung mit allen Sinnen genoss. Ulrich kämpfte gegen ein neues Ziehen in seinen Lenden an. Sollte Jutha erfahren, dass er wieder schwach geworden war, würde sie Anna die Nase abschneiden lassen. Und wenn er ihre einflussreiche Familie gegen sich aufbrachte, würde er es nicht weit bringen.
Gewaltsam richtete er seine Aufmerksamkeit auf den Zimme rer, der die letzten Hammerschläge an seinem Tribok machte. Das Katapult ruhte fest auf zwei Eichenpfählen. Zwischen den beiden senkrechten Stützen hing ein beweglicher Balken. Das eine Ende war durch ein Gewicht nach der Burg hin ausgerichtet, am ande ren hatte der Schmied eine Vorrichtung angebracht, mit der man ganze Felsbrocken, aber auch Kadaver oder Bienenstöcke schleu dern konnte. Ulrich hatte die verheerenden Schäden, die man da mit anrichten konnte, letzten Herbst in Landsberg gesehen. »Hält es nun?«, fragte er ungeduldig.
Der Zimmerer wischte sich die schweißverklebten Haare aus der Stirn und nickte. Die Seile, von denen die schwere
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