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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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ihrem Leib zu sein. Eine halbe Ewigkeit keuchte der Mann auf ihr. Kaum war er fertig, stieß ihn der nächste herunter. Anna hatte nicht einmal mehr die Kraft zu wimmern. Von dem vierten Mann, der sie schändete, be kam sie kaum noch etwas mit. Sie war gefangen in einem Schleier aus Blut und Schmerzen, hatte das Gefühl zu schweben. So musste es sein, zu sterben.
    Irgendwann hatte auch der Letzte genug. Anna bekam mit, dass irgendwo Eisen klirrte, dass jemand schrie. Doch sie war zu schwach, alles drang nur noch dumpf wie durch dicke Lagen Leinen zu ihr vor. Sie kämpfte nicht mehr gegen die Übelkeit und den Ekelan. Qualvoll würgte sie, doch sie konnte sich nicht übergeben. Sie hörte Hufschlag, dann war es still. Aber die Bewusstlosigkeit, die alles gnädig in einen dunklen Schleier hüllte, kam nicht.
    Jemand stöhnte. Mühsam rollte sich Anna auf den Bauch und kam auf alle viere. Der Schmerz pochte so wild in ihr, dass er selbst die Übelkeit betäubte. Langsam kroch sie auf Falconet zu. Ihre Hände griffen in etwas Klebrigwarmes. Er lag in einer Blut lache.
    Das Gesicht des Gauklers war furchtbar entstellt – Striemen zogen sich über die Haut, die Augen waren zugeschwollen und blau angelaufen. Erde und Blut klebten auch in seinem Mund. Doch an seinem entsetzten Blick erkannte Anna, dass sie selbst nicht besser aussah. In rhythmischen Stößen spritzte etwas War mes auf ihre Beine. Sie begriff nicht.
    »Um Gottes willen, binde das ab!«
    Steffen war wieder bei Bewusstsein und fiel neben ihr auf den Boden. Entweder hatte ihn der Streitkolben nicht richtig getrof fen, oder er hatte die Natur eines Bären. Über sein Gesicht rann Blut und verklebte mit seinem Haar, aber eigentlich hätte ihm der Hieb den Schädel zerschmettern müssen. Er riss einen Fetzen aus seiner Kleidung. Über der Wunde wickelte er ihn so straff um Fal conets Oberschenkel, dass der Gaukler aufschrie.
    Falconet tastete nach Annas Hand.
    »Lass mich nicht allein!« Verzweifelt umklammerte sie die blu tigen Finger und drückte sie an sich. »Ohne dich bin ich verloren, ich weiß nicht, wohin …«
    Seine zitternden Finger suchten das Spielmannsbuch. »Die Car mina … aus Kloster Neustift … bei Brixen in Tirol!« Er keuchte und presste vor Schmerz die Zähne zusammen. »Zeig es dem Propst … er kann dir helfen …«
    »Nein!« Anna schüttelte den Kopf. »Bleib bei mir!«
    Er legte ihr das Buch in den Schoß. »Das Schicksalsrad …«, brachteer hervor. »Du kannst es nicht aufhalten … aber jeder Au genblick … ein Geschenk …« Er wischte ihr die Tränen ab. »Lächle!«, flüsterte er. »Gauklerin …« Die Hand fiel herab.
    »Nein«, flüsterte Anna. »Nein!«, schrie sie. Sie beugte sich über ihn, schüttelte ihn, rief seinen Namen, als müsste sie ihn nur immer wiederholen, damit er die Augen aufschlug. Ihre Stimme überschlug sich, wie von Sinnen schlug sie auf ihn ein. Tränen strömten über ihre brennenden Wangen, schluchzend fiel sie auf seine Brust. Sie fühlte sich so verlassen, wie sie es nicht einmal nach ihrer Flucht aus Kaltenberg empfunden hatte.
    Steffen legte ihr die Hand auf die Schulter. »Er ist tot, Anna!«, sagte er leise.
    Anna schloss die erstarrten Augen und wischte sich Schlamm und Blut aus dem geschwollenen Gesicht. Ihr war übel, und sie fühlte sich so schwach, als wollte ihr Körper jeden Augenblick den Dienst versagen. Doch der Nebel in ihrem Kopf lichtete sich auf einmal. Sie fühlte wieder den Waldboden unter sich, die abgesplit terten Rindenstücke, Erde und feuchtes Gras.
    »Ich werde tun, was er will«, sagte sie leise. Sie hörte ihre Stim me wie die einer Fremden. Noch immer liefen Tränen über ihr Gesicht, doch sie klang entschlossen.
    Langsam richtete Anna ihre zerrissenen Kleider. Auf einmal überkam sie Hass. Er durchlief sie heiß und belebend und richtete sie auf. Heinrich von Wolfsberg würde bereuen, was er ihr an getan hatte. Und auch Raoul, der die Schuld daran trug, dass sie auf der Straße lebte. Sie wusste noch nicht, wie. Aber nie wieder, schwor sie sich, würde sie hilflos Gewalt ausgeliefert sein. Nie wie der.

VierterTei l

    In Tabern a
    Manche spielen, manche saufen , Sitten sind’s zum Haareraufen! … Auf den, der die Zeche zahlt ! Zweitens: die im Kerker faulen, … Sechstens auf die leichten Schwestern, … Achtens auf perverse Brüder , neuntens auf versprengte Mönche … Zwölftens auf den reu’gen Büße r Dreizehn: Auf die Fahrenden . Auf den Papst und auf den

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