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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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der sichere Tod!«, brüllte sein Waffenmeister von un ten herauf. »Wir verlieren alle Männer!«
    »Ihr bleibt!«, schrie Ulrich zurück. Völlig außer sich, dachte er an nichts anderes mehr, als diese verdammte Burg zu erobern. »Oder ich bringe euch persönlich um!«
    Ein neuer Pfeilregen traf auf seine Knechte unten am Tribok. Das schwere Gestell neigte sich und drohte zu stürzen. Inzwischen lagen vier seiner sechs Leute reglos am Boden, die Schäfte ragten aus ihren Körpern. Auch die Männer oben auf dem Wehrgang be gannen jetzt zu fliehen. Mit einem Fluch raffte Ulrich den Schild auf und lief zu seiner Leiter. Hastig kletterte er die Sprossen hinab. Außer sich vor Angst brüllten die Männer, verfehlten in der Hast die Stufen und stürzten ab. Einer schlug wie von Sinnen um sich – ohne zu bemerken, dass er so ein Ziel für die Bogenschützen bot. Ein Schwarm Pfeile bohrte sich in seinen Körper. Oben auf den Wällen riefen ihnen die Verteidiger Beschimpfungen nach. Ulrich blickte hinauf.
    Ein älterer Mann hatte die Gabel angesetzt. Die strähnigen grauen Haare waren blutverschmiert. Mit einem höhnischen Grinsen stemmte er die Leiter von der Mauer.
    Ulrich fühlte die Schwerelosigkeit, als die Leiter nach hinten kippte. Für einen Moment hatte er das Gefühl zu schweben. Dann schlug er hart auf dem Boden auf. Er schmeckte Blut zwischen sei nen geschwollenen Lippen. Mit aller Gewalt kämpfte er gegen die Bewusstlosigkeit an.

8
    Anna hatte in den Skriptorien von Freising nicht erfahren, was sie gehofft hatte. Aber jetzt wurde es Frühling, und sobald die Nächte warm genug waren, würden wieder Reisende kommen. Sie wür den Nachrichten mitbringen, und vielleicht würde ja einer von ih nen das Lied kennen, das Anna suchte. Sie war entschlossen, einen Bürgen für ihre Unschuld zu finden, bis Ulrich wiederkam. Unge duldig wartete sie auf seine Rückkehr. Ein völlig durchgefrorener Pilger, der an den Schrein des heiligen Korbinian wollte, erzählte, der König sei auf einem Kriegszug. Anna machte sich Sorgen. Hof fentlich war Ulrich nichts zugestoßen!
    Durch das Schmelzwasser in den Bergen war der Pegel der Isar gefährlich angestiegen, als sie im Auftrag des Sendlingers eine Bot schaft nach Weihenstephan brachte. Wie ein gestrandetes Schiff lag die mächtige Benediktinerabtei auf dem benachbarten Hügel über Freising. Von hier oben konnte sie sehen, dass die Flussarme sich zu einer einzigen breiten Wasserfläche vereinigt hatten. Unten pflügte ein Ochsengespann. Hinter der schweren eisernen Pflug schar, welche die glänzenden Schollen aushob, ging der Bauer. Aus dem Tuch um seine Hüften warf er mit gleichmäßigen Bewe gungen das Saatgut in die Furche. Hinter ihm rannten Kinder und verscheuchten die hungrigen Krähen. Die Schneefelder auf den Brachflächen wurden kleiner. Zu Ostern würden sie verschwun den sein.
    Anna gab den versiegelten Brief des Bischofs an der Klosterpforte ab. Während sie auf Antwort wartete, bewunderte sie die Brauerei von Weihenstephan. Die Kessel im Gewölbe des riesigen Sudhauses waren gewaltig, und der herbe Malzgeruch betäubte sie.Das Braurecht, das die Abtei für sich in Anspruch nahm, hatte zu ihrer Macht beigetragen.
    »Hier gibt man den Hopfen zu«, erklärte ihr der Mönch, der sie schon die ganze Zeit verstohlen von der Seite betrachtete. Ohne die dunklen Ringe unter seinen Augen und die ständig feuchten Lippen hätte er ein gutaussehender Mann sein können, aber er hatte etwas Gehetztes, das Anna nicht gefiel. Außerdem hatte sie sein Mitbruder vorhin gewarnt: Er sei hinter jedem Rock her, seit ihn der Hunger ins Kloster getrieben hätte.
    Jetzt griff er in ein Holzgefäß und streute Kräuter um die Kup ferkessel. Dabei murmelte er halblaute Beschwörungen. Anna kannte den Brauch. Sie hatte selbst gelernt, Brauhexen, die den Geschmack verdarben, so vom Bier fernzuhalten.
    »Und das hier«, sagte der Mönch und förderte ein verschrum peltes Ding aus seinem Skapulier zutage, »ist das Geschlechtsteil eines Hundes, in Petersilie gelegt. Der beste Liebeszauber weit und breit.« Er zog sie zu sich heran und schob seine spinnendür ren Finger unter ihre Cotte. Der scharfe Malzgeruch seiner Kutte nahm ihr den Atem, und widerwillig stieß sie ihn weg.
    »Nun wehr dich doch nicht«, flüsterte er. »Eine Gauklerin, die Liebeslieder singt, treibt es doch mit jedem. Der Bischof hält sich dich nur dafür.«
    Überrascht hob Anna sein Kinn, so dass er ihr in die Augen sah.

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