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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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den Henker geschickt hatte, nur weil der ihn aus Versehen geweckt hatte – dieser Mann war erstochen worden in seiner eigenen Schlafkammer, von seinen eigenen Leuten. Der Oberbefehl über das kaiserlich-ligistische Heer war fortan dem Kaisersohn Ferdinand   III., König von Ungarn und Böhmen, übertragen. Nicht wenige Bürger feierten diese Nachricht mit einem Gelage von Branntwein und Bier.
    Agnes wusste: Ihre Mutter schöpfte nun neue Hoffnung, dass Matthes nach Hause zurückkehren würde. Hatte er, damals bei Wallensteins Entlassung, nicht geschrieben, er habe seinen Treueid auf Wallenstein geleistet und nicht auf den Kaiser? Hatte er nicht verkündet, er wolle entweder an der Seite des Generalissimus kämpfen oder gar nicht?
    Doch Agnes ahnte, dass Matthes niemals mehr zu einem friedlichen Leben als Handwerker zurückfinden würde. Dazu war er zu lange im Krieg gewesen. Männer konnten nicht über ihren Schatten springen, das hatte sie ihre Erfahrung gelehrt.

22
    Sie standen auf dem Feldweg, die gesattelten Pferde bereit. Batista de Parada blickte auf seine linke Hand, die in einem blutverschmierten Verband steckte. «Also, kommst du jetzt mit mir?»
    Matthes wandte sich um und blickte auf die Türme und Mauern von Eger, die sich über der Biegung des Flusses erhoben. Von hier war der Generalissimus vor neun Jahren mit seinem mächtigen Heer aufgebrochen, hierher war er zurückgekehrt, nur um von seinen eigenen Leuten abgestochen zu werden wie ein alter Hund. Und auch sein eigenes Leben als Soldat hatte hier begonnen. In dieser Stadt konnte es eigentlich auch zu Ende gehen.
    Hätte er den Alten in jener Nacht nur nicht im Stich gelassen. Hätte man ihn doch gleich mit gemeuchelt. Er hatte doch geahnt, dass etwas im Busche war, hatten doch Butler, Leslie, Gordon, Deveroux und wie die Hundsfötter alle hießen, den ganzen Abend schon verschwörerische Blicke ausgetauscht. Dabei führten die Kleinen nur aus, was die Großen, was Gallas, Aldringen, Piccolomini beschlossen hatten.
    Matthes schloss die Augen. Seit jeher hatte Wallenstein entschiedene Gegner in allen Fraktionen gehabt. Doch Todfeinde innerhalb seines eigenen Heeres? Hatten sich nicht noch im Januar alle Offiziere in einem einmütigen Beschluss zu ihrem Feldherrn bekannt? Oh, wie geschickt hatten sie es eingefädelt, diese Judasbrüder, nachdem der Kaiser seinen höchsten General in Acht und Bann erklärt hatte, nur einen Monat später, und der Friedländer aus Pilsen fliehen musste. Auf der Festung Eger, wo er auf Sukkurs Oberst von Arnims hoffte, ging er geradewegs in eine tödliche Falle. Denn der Egersche Stadtkommandant Gordon, einst Wallensteins Günstling, war längst auf Seiten der Feinde gewechselt, und so war es den Meuchelmördern ein Leichtes gewesen, ihren kaltblütigen Plan auszuführen. Hatten noch ein letztes Mal feierlich ihre Treue geschworen, mit Tränender Ergriffenheit in den Augen, um anschließend Wallensteins engste Vertraute, darunter auch de Parada, zu einem Bankett auf die Kaiserburg einzuladen.
    Matthes selbst stand an jenem Abend als Posten vor Wallensteins Quartier, im Innenhof des Pachelbelhauses am unteren Markt, weniger als Wachschutz, denn um für Stille zu sorgen. Ein nasser, stürmischer Wind fegte durch die Gassen, sonst war alles friedlich. Hin und wieder warf Matthes einen Blick hinauf zu dem hell erleuchteten Fenster. Der alte Feldherr hatte sich Ruhe ausbedungen, billigte nur seinen Kammerdiener, seinen Arzt und den Astrologen als Gesellschaft, während oben auf der Burg zügellos gefressen und gesoffen wurde.
    Was sich dann nach dem Festmahl ereignete, hatte Matthes von de Parada erfahren. Gerade als das Konfekt zum Dessert gereicht wurde, stürzten Butlers Dragoner herein, schwer bewaffnet, und machten sich mit dem Schlachtruf: «Vivat Ferdinandus!» über die unbewehrten Gäste her. Graf Kinsky stießen sie noch bei Tisch den Degen durch den Hals, dem polnischen Freiherrn von Ilow gelang es, Leslie zu verwunden, dann fiel auch er. Die Übrigen versuchten zu fliehen, doch das Tor war verriegelt, die Zugbrücke aufgezogen. De Parada konnte einen Dolchstoß gerade noch mit der Faust abwehren, sah aus den Augenwinkeln, wie sie dem schwer verletzten jungen Terzschka das Gesicht zerschnitten, andere hackten und stachen auf Doctor Niemann, Wallensteins Sekretär, ein, der «Quartier! Quartier!» rief, die altvertraute Gnadenbitte der Soldaten. Da stürzten die Tische um und die Kerzen verloschen. De Parada nutzte

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