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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Gegenreformation, der sich der Kaiser verschrieben hat. Gegen Lutheraner habe er nichts, hab ich ihn oft sagen hören, seinetwegen könnten die Pfarrer hindostanisch oder türkisch predigen.» Er sah Matthes durchdringend an. «Komm mit mir nach Pilsen.»
    Matthes schüttelte den Kopf. «Zu Aldringen, Gallas, Piccolomini? Ich will keiner dieser Bestien dienen.»
    «Zuallererst dienen wir König Ferdinand. Ich habe gehört, dass er einige Regimenter direkt unter seinen Befehl stellen will. Seine Offiziere würden dich mit offenen Armen übernehmen. Schließlich stehst du mit deinem Wagemut in bester Reputation.»
     
    Seit der Nachricht von Wallensteins Tod war Marthe-Marie von einer Unruhe befallen, die ihr Appetit und Schlaf raubte. Den ganzen Tag schien sie zu warten: Auf einen Kurier, einen Postreiter, einen württembergischen Gesandten, der ihnen Nachricht von Matthes bringen würde. Sie verrichtete ihre tägliche Arbeit fahrig und ohne Schwung, rechnete täglich aufs Neue nach, wie viele Tage oder Wochen ihr Sohn von Böhmen nach Stuttgart benötigen würde. Doch er kam nicht, und allmählich schwand ihre Hoffnung.
    «Und wenn er sich nun nach Ravensburg aufgemacht hat? Er kann schließlich nicht wissen, dass ich hier bei dir lebe.»
    «Dann wird er es dort erfahren», entgegnete Agnes. Sie wagte ihrer Mutter nicht zu gestehen, dass sie an Matthes’ Rückkehr nicht mehr glaubte.
    «Jonas und ich hätten niemals so streng sein dürfen mit dem Jungen.»
    «Bitte, Mutter – mach dir nicht immer diese Vorwürfe. Matthes ist, wie er ist. Ihr hättet ihn auch nicht ändern können.»
    Sie standen am Fenster und blickten hinunter auf den ‹Gartender Herzogin›. Vom Pavillon blätterte die Farbe, die Beete waren von Brombeerranken und Löwenzahn überwuchert. Der einstige Stolz Prinzessin Antonias bot einen erbarmungswürdigen Anblick. Dennoch, im ersten frischen Grün und milden Licht der Frühjahrssonne zeigte sich der Garten als ein Ort des Friedens und der Stille, während die Amtsstädte und Flecken rund um Stuttgart schwer unter den Einquartierungen und Übergriffen der verbündeten schwedischen Truppen litten. Inzwischen wimmelte das ganze Reich von Soldaten wie ein Stück faules Fleisch von Maden. Agnes war, als schirmten die hohen Mauern rund um die herzoglichen Gärten sie von Feindesland ab, als segelten sie hier auf einer Arche Noah inmitten eines unberechenbaren Ozeans. Doch wie lange noch waren sie sicher auf ihrem Schiff?
    Inzwischen stand bald ganz Europa in einem einzigen kolossalen Krieg: die niederländischen Generalstaaten gegen Spanien, Spanien gegen Schweden, Frankreich gegen Spanien, Habsburg gegen Frankreich. Wallenstein selbst fand als Toter auf einmal zahlreiche Fürsprecher, wurde vom ermordeten Feind zum Freund. Vor allem Protestanten und Gelehrte sahen in dem, den sie als böhmischen Parvenu und papistischen Henker geschmäht hatten, plötzlich einen deutschen Helden, der Europas Wohltäter und Retter hätte werden können. Die kaiserliche Seite dagegen stellte ihren treuen Diener nun als Kopf einer ungeheuren Verschwörung dar, die das Heilige Römische Reich endgültig in Tod und Verderben hatte stürzen wollen. Dennoch hatte Kaiser Ferdinand, in seiner Großmut, für die Seelen der Gemordeten nicht weniger als dreitausend Messen im Land lesen lassen. Gleichermaßen großzügig erwies er sich allerdings gegenüber den Verschwörern und Mördern, die mit Gütern, Gold und Grafentiteln entlohnt wurden. Wallensteins Soldaten, von denen die meisten monatelang keinen Sold mehr gesehen hatten, durften sich immerhin ein paar Wochen lang im Herzogtum Friedland satt essen.
    Dies alles war nachzulesen und auf Holzschnitten zu schauen in einer Flut von Gazetten und Flugblättern, die die Städte und Residenzen des Reiches überschwemmten. Darin entspannen sich auch ungeheuerliche Historien um Wallensteins Todesstunde. Es habe Rauch gegeben, wurde berichtet, und einen Knall, als die Klinge der Partisane seine Brust durchbohrte, gerade so, als sei der Teufel aus ihm gewichen. Man habe ihn dreimal durchstechen müssen, ehe er endlich fiel. Dazu verbreiteten sich Spottlieder, die die Kinder auf der Straße nachsangen: Hier liegt und fault mit Haut und Bein der große Kriegsfürst Wallenstein.
    Agnes wandte ihren Blick vom Garten ab und sah zur Tür. Ihr machte in den letzten Wochen noch etwas anderes Kummer. David wurde zunehmend trotziger und aufmüpfiger. Die Großmutter tat das ab mit Worten wie:

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