Die Gauklerin
die Gelegenheit und stolperte die Stiege zur Gesindeküche hinunter, schrie nach seinem Diener, eine schwere Eichentür öffnete sich einen Spaltbreit, schloss sich unmittelbar hinter ihm. Er war in Sicherheit, mit einer durchstochenen Hand davongekommen.
Währenddessen begab sich Matthes in eine dunkle Ecke des Innenhofs, um Wasser zu lassen, als er das Getrampel von Stiefelnauf dem Pflaster hörte, dazu lautes Grölen. Dann sah er sie durch den Torbogen in den Hof stürmen: Eine Schar Dragoner, vorweg Hauptmann Deveroux, die Partisane in den Fäusten. Sind die des Teufels, fuhr es ihm durch den Kopf, vor Wallensteins Haus solch ein Höllenspektakel zu veranstalten. Wollte sich ihnen in den Weg stellen und wurde sofort zu Boden gefegt. Als er sich aufrappelte, sah er sie die Treppe zum Portal hinaufstürmen, er stürzte hinterher, bekam einen Schlag mit einem Gewehrkolben gegen die Schläfe, fiel rückwärts die Stufen hinunter, schlug mit dem Hinterkopf aufs Pflaster und verlor kurzzeitig die Besinnung. Sein Schädel dröhnte, als er zu sich kam, ohne zu wissen, was eben geschehen war. Da hörte er Gebrüll, sah oben im Schein der Lampe Wallenstein mit dem Rücken zum Fenster stehen, im Schlafrock und mit erhobenen Armen. Plötzlich ein Schatten, eine schnelle Bewegung, ein erstickter Schrei, der mehr einem Gurgeln glich, dann spritzte etwas dunkel gegen die Scheiben und nichts war mehr zu erkennen. Matthes wollte aufstehen, nach seiner Partisane greifen, doch die Beine gehorchten ihm nicht mehr, und seine Glieder zitterten, als habe ihn die Fallsucht gepackt. Wie in einem Albtraum nahm er Wallensteins Kammerdiener wahr, der auf der Türschwelle in seinem Blut lag, dann wurde die Tür weit aufgestoßen, er hörte ein Getöse aus dem Stiegenhaus, zwei Männer schleiften einen zusammengerollten roten Teppich die Treppe herunter, der polternd auf jede Stufe schlug und eine Spur von Blutstropfen hinter sich ließ. Ihn, Matthes, beachtete niemand. Wie gelähmt lag er auf dem nassen Pflaster im aufkommenden Schneesturm, sah hilflos mit an, wie erst der Teppich mit Wallensteins Leichnam, dann der tote Kammerdiener zur Straße hinausgezerrt wurde, dann hörte er einen Pferdekarren davonfahren.
Gegen Mitternacht fand ihn sein Rossknecht und brachte ihn in ihr Quartier in der Vorstadt, wo er in fiebrigen Schlaf fiel. Am nächsten Morgen dann erfuhr er von Mugge, dass die Leiche desFeldherrn neben den anderen Ermordeten vor der Kapelle der Burg im Schnee liege, bedeckt nur von einer dreckigen Pferdedecke. Kommandant Gordon warte auf die Ankunft Piccolominis, um zu entscheiden, wie mit Wallensteins sterblichen Überresten zu verfahren sei. Matthes wollte aufstehen und zur Burg, doch er war zu schwach.
Am Morgen des Aschermittwochs – de Parada hatte ihn inzwischen aufgesucht und ihm von dem Gemetzel in der Burg berichtet – war Matthes wieder auf den Beinen. Gerade noch rechtzeitig, um dem schäbigen Brettersarg, der auf dem Karren durch die Gassen rollte, das letzte Geleit zu geben. Es hieß, die Fahrt ginge in ein nahes Franziskanerkloster, und man habe der gefrorenen Leiche Wallensteins die Gliedmassen brechen müssen, damit sie in den viel zu kleinen Sarg passte. Welch ein erbärmliches Ende!
Seither quälten Matthes Fragen über Fragen: War der Befehl zu diesem Mord aus der Wiener Kanzlei gekommen, mit Billigung des Kaisers? Als Folge einer von den Wiener Beratern und dem bayerischen Kurfürsten eingefädelten Intrige? Oder hatte gar der Kaiser selbst diesen Befehl gegeben? Sollte er dem Aufruf Piccolominis folgen, alle in Eger anwesenden Soldaten hätten sich nach Pilsen zu begeben, wo in Kürze der Kaisersohn, als neuer Oberbefehlshaber, Revue über Wallensteins Regimenter halten wolle?
Auch er hatte schließlich seinen Buben angewiesen, zu packen und die Pferde zu satteln. Nun stand er hier mit Batista de Parada vor den Toren der Stadt und wusste nicht wohin.
«Jetzt ist auf Frieden kaum noch zu hoffen», sagte er leise.
Der Blick des Hauptmanns war warm und voller Zuneigung. «Das Leben geht weiter. Du bist noch jung.»
An Jahren vielleicht, dachte Matthes. Ansonsten fühlte er sich verbittert und verhärmt wie ein Greis.
«Denkst auch du, dass Wallenstein ein gottloser Mensch war?»
«Nein.» De Paradas Antwort klang sehr entschieden. «Ichweiß, dass er gläubig war und regelmäßig zur Messe ging. Und denk an die vielen Klöster, die er gegründet hat. Er hielt nur nichts von der rigiden
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