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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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befand. Sie mussten mitten im Aufbruch sein. Matthes wusste: Wer nicht schnell genug war, würde in der nächsten Stunde Pferd und Wagen, wenn nicht sein Leben verlieren. Plötzlich stockte ihm der Atem: Nur einen Steinwurf von dem hochbeinigen Braunen sah er einen Mann, mit der weißen Armbinde des Feldchirurgen, der dabei war, einen Verwundeten zu retirieren. Es war Jakob.
    Matthes stieß einen Schrei aus. Jetzt würde er ihn zur Rede stellen. Blitzschnell lud er seinen Karabiner durch und gab dem Pferd die Sporen.
    «Bleib stehen, Jakob Marx!» Er ließ sein Pferd um den verblüfften Bruder tänzeln. Jakobs Haar war dreckverkrustet wie sein Gesicht, seine Kleidung voller Blut. Doch in den hellen Augen stand keine Angst, nur ungläubiges Erstaunen.
    «Hat der gottesfürchtige Lutheraner jetzt auch zum Kriegshandwerk gefunden? Wirst gut bezahlt dafür, was? Dafür lässt man die Mutter gerne im Stich.»
    «Halt dein schändliches Maul, Matthes, und lass mich meine Arbeit machen.»
    «Du sollst stehen bleiben, hab ich gesagt.» Matthes’ Stimme überschlug sich. Er hob seine Büchse und zielte.
    «Dann erschieß mich doch!»
    Da prallte von der Seite de Paradas Pferd hart gegen das von Matthes. Der Rittmeister schlug ihm die Waffe aus der Hand.
    «Bist du des Wahnsinns? Das ist ein Feldscher!»
    «Das ist mein Bruder», schluchzte Matthes.
    Dann ging alles ganz schnell. Im selben Augenblick, als Jakob den Verletzten in den Schutz der Bäume zog, krachte eine Büchse. Lautlos kippte de Parada vornüber auf den Hals seines Pferdes.
    «Weg hier», schrie Matthes und packte de Paradas Zügel. Wiederknallte ein Schuss. «Halt dich fest, Batista. Halt dich um Himmels willen fest.»
    Der nächste Schuss fegte Matthes den Hut vom Kopf. In Panik galoppierten ihre Pferde los, Matthes hatte Mühe, den Rappen neben sich nicht zu verlieren. Endlich waren sie außer Gefahr. Matthes parierte die Tiere durch.
    «Halt durch, ich bring dich ins Feldlazarett.»
    De Parada gab keine Antwort. Er hing wie ein aufgebundener Sack über dem Sattel, bei jedem Tritt schlug sein Kopf gegen die Mähne des Pferdes. Doch er lebte, schien sich mit letzter Kraft am Hals des Tieres festzukrallen.
    «Bleib ganz ruhig, Batista, ganz ruhig, wir haben es bald geschafft. Sicher nur ein Streifschuss, wirst sehen. Im Lazarett werden sie dich verbinden, und dann gehen wir einen heben, wir beide.»
    Ununterbrochen redete Matthes auf den Verletzten ein, machte ihm Mut, bettelte, nicht aufzugeben, jetzt wo er bald zweifacher Vater sein würde. Redete und schluchzte abwechselnd, bis sie die Hochfläche mit ihrem Lager erreicht hatten. Vor dem Zelt des Feldschers kauerten und krümmten sich Hunderte von Verletzten, es war kein Durchkommen.
    Matthes sprang vom Pferd und packte den nächstbesten Mann am Arm. «Rasch, holt den Wundarzt. Rittmeister de Parada ist angeschossen.»
    Der Mann stieß ein böses Lachen aus. «Unser Medicus hat nicht mal Zeit zum Luftholen. Das Zelt ist gestopft voll, und die hier warten auch alle schon.»
    «Dann helft mir, ihn herunter zu heben.»
    De Paradas Arme waren wie im Krampf um den Pferdehals geschlungen; es kostete sie einige Mühe, ihn seitlich herunter zu ziehen.
    «Jesses Maria!»
    Der Mann schlug sich die Hand vor den Mund. De ParadasBauch war ein einziger See von dunkelrotem Blut, das ihnen jetzt aus dem zerfetzten Lederwams entgegenquoll. Doch Matthes hatte sich schon den Rock vom Leib gerissen und presste ihn auf die Wunde. De Parada stöhnte auf. Immerhin, er lebte.
    «Bleibt bei ihm», sagte der andere, «ich hole Hilfe.»
    Aus dem dunklen Gesicht des Rittmeisters war jede Farbe gewichen. Jetzt bewegte er die Lippen.
    «Nicht sprechen, Batista. Gleich wird jemand kommen und die Wunde versorgen.»
    «Doro   – Dorothea.»
    «Ich lass sie holen.»
    Matthes hielt Ausschau, wen er nach de Paradas Frau schicken konnte. Da entdeckte er seinen Reiterbuben, der ganz offensichtlich auf der Suche nach ihm war.
    «Hierher, Mugge!»
    «Was für ein Glück! Ihr seid unverletzt. Denkt Euch, ich habe zwei schwedische Pferde eingefangen.»
    Rührung überkam Matthes, als sein Trossbube näher trat. Er würde ihm demnächst neues Schuhwerk schenken, das alte war nur noch von Schnüren zusammengehalten.
    Mugge beugte sich über den Verletzten. «Himmel, das ist ja der Napolitaner.»
    «Lauf schnell, hol seine Frau.»
    Endlich erschien ein Knecht des Feldschers, mit frischem Verbandszeug und einem Beutel in der Hand. De Parada hatte

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