Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
verstanden: Sie rief Matthes und Jakob zu sich.
    «Wem aus der Truppe könnte ich eine Nachricht anvertrauen?»
    «Hauptmann von Wolzogen», antwortete Antonia, ohne zu zögern. «Er ist der zuverlässigste Mann.»
    Agnes glaubte eine Spur von Röte auf Antonias Wangen zu erkennen.
    «Doch am besten gibst du die Nachricht mir. Ich werde den Hauptmann persönlich bitten, sie zu überbringen, komme was da wolle.»
     
    Am nächsten Morgen stand Agnes mit Hunderten von Menschen auf dem Schlossplatz, um das Landesaufgebot zu verabschieden. Drei-, viertausend Soldaten mochten es sein, in blauen Zwilchkitteln und mit feierlichen Gesichtern, die sich zum Rühren der Trommeln formierten; manche nicht viel älter als David. Wie viele von ihnen würden ihre Eltern, ihre Geschwister, ihre Freunde wiedersehen?
    Sie dachte an den Gärtnerburschen Franz, der längst unter der Erde lag, dachte an Jakob und Matthes, dachte an Kaspar. Der große Krieg dort draußen erschien ihr wie ein menschenfressendes Ungeheuer, das niemals zu sättigen war, dem unter Trommelschlag und Trompetenklang Mann für Mann in den aufgerissenen Schlund marschierte.
    Vorweg, auf einem glänzenden Goldfuchs, trabte der junge Herzog die Reihen ab, in blitzendem Kürass, in der Rechten die Standarte mit dem viergeteilten Wappen der Württemberger. In seinem runden, gut geschnittenen Gesicht stand so etwas wie Trotz. Jetzt hob er die Hand und grüßte zu der blumengeschmückten Empore, wo Antonia mit ihren Schwestern und der Herzoginmutter am Geländer lehnten. Agnes entgingen nicht die Blicke, die die Prinzessin mit Hauptmann von Wolzogen austauschte. Ob Antonia ihr Herz verloren hatte, zum ersten Mal?
    Agnes faltete unwillkürlich die Hände. Sie bat Gott, all diese Menschen zu beschützten und ihnen, wenn es denn nicht anders ging, ein gnädiges Ende zu schenken. Sie betete, dass der junge Hauptmann ihre Brüder finden möge, bevor es zum Gefecht kam. Beiden hatte sie denselben flehentlichen Brief geschrieben: Sie mögen nach Stuttgart kommen, die Mutter liege im Sterben.Wenn sie ihr einen letzten Dienst erweisen wollten, dann sollten sie einmal wenigstens den Krieg Krieg sein lassen und sich von ihr verabschieden.

25
    Zum ersten Mal seit Jahren packte Matthes so etwas wie Angst. Seine Kompanie hatte auf der weiten Hochfläche des Schönfelds Stellung bezogen, im Süden Nördlingens, und wartete mit Hunderten anderer kaiserlich-spanischer Verbände auf den Befehl, sich ins Gefecht zu stürzen. Es war früher Morgen, und Matthes wusste, die Entscheidungsschlacht stand unmittelbar bevor. Das, was am Vorabend und in der Nacht rundum in den Hügeln getobt hatte, war nur der Anfang gewesen.
    Drei Wochen hatten sie auf diesen Augenblick gewartet. Drei endlose Wochen, während deren sie die Stadt belagert hatten, in der nicht nur die schwedische Garnison einlag, sondern auch Scharen von Bauersleuten aus dem Umland Zuflucht gesucht hatten. Alle miteinander hausten sie auf engstem Raum, Hungersnot und Pestilenz hatten sich in kürzester Zeit ausgebreitet, das Wasser wurde knapp, denn sie hatten den Zufluss der Eger abgedämmt.
    Doch Hunger litten längst auch er und seine Kameraden, denn das verlassene Land rundum konnte ihr riesiges Heer nicht ernähren. Matthes hatte jedes Mal der Hass gepackt, wenn er den fetten Gallas, seit Wallensteins Ermordung der neue Herzog von Friedland, mit seinen Kumpanen prassen und saufen sah. Der Feldmarschall tat das ungeniert und mitten unter den Blicken seiner ausgehungerten Leute, wenn er sich nicht gerade im nahen Schlösschen zu Reimlingen vollfraß, wo der Ungarnkönig residierte. Tag um Tag hatten sie gewartet auf die Verstärkung durch König Ferdinands spanischen Vetter, um endlich losschlagenzu können. Hatten belagert und gehungert, während vom Galgenberg ihre Geschosse gegen die Stadtmauern krachten und der Türmer der Pfarrkirche mit der brennenden Pechpfanne seine Hilferufe an die anrückenden Schweden in den Nachthimmel schickte. Wie de Parada prophezeit hatte, wagten Horn und Weimar nicht, sie in dem unzugänglichen Gelände anzugreifen. Doch ebenso wenig waren die Schweden willens, ihre Nördlinger Garnison im Stich zu lassen.
    Anfang September endlich war das Heer des spanischen Königssohnes eingetroffen. Unter Kanonendonner und dem Jubel der Söldner wurden die Welschen begrüßt, die allesamt gesund, wohlgenährt und bestens ausgerüstet waren. Jetzt war die Gelegenheit da, Horn und Weimar mit ihrem

Weitere Kostenlose Bücher