Die Gauklerin
geschwächten schwedischen Heer in Grund und Boden zu hauen. Sollten sie nur kommen. Eiligst hatten sie ihre Einheiten in Formation, ihre Geschütze in der Ebene und auf der langgestreckten Hügelkette südlich der Stadt in Stellung gebracht.
Doch am vergangenen Abend dann, zu ungewöhnlicher Stunde, hatte Bernhard von Weimar von Westen her eine ebenso überraschende wie tollkühne Attacke gegen ihre Vorposten geritten und in erbittertem Kampf gegen die spanischen Kürassiere und Musketiere bis auf den Heselberg vorstoßen können. Noch in später Nacht waren die Schlachtrufe und Trompetenstöße zu hören gewesen. Matthes, dessen leichte Reiterei zu diesem Zeitpunkt den rechten Flügel sichern musste, hatte davon nur über die Meldereiter erfahren. Er selbst war bloß in kleinere Attacken verwickelt worden. Aber was immer die nächsten Stunden geschehen mochte, eines war ihm klar geworden: Der Gegner erwies sich als weitaus hartnäckiger als erwartet. Immerhin hatten ihre eigenen Leute in jener Nacht den Albuch sichern können, den höchsten und somit strategisch bedeutsamsten Hügel der Gegend.
Matthes fröstelte. Dort drüben, im dichten Gehölz des Heselbergs,lauerten die Weimaraner; die warteten nur darauf loszuschlagen. Er warf einen verstohlenen Blick auf seinen Freund und Rittmeister, dessen Ross vor ihren Reihen auf und ab tänzelte. In de Paradas klaren, dunklen Gesichtszügen war keine Regung zu lesen.
Da zerriss ein schrilles Trompetensignal die trügerische Stille. Horns rechte Flanke warf sich aus dem Schutz einer langgestreckten Hecke gegen den Albuch, von gänzlich unerwarteter Seite, als das Unglaubliche geschah: Die Geschütze der Schweden blieben im Schlamm stecken, Pulverwagen explodierten, ihre Kürassiere rammten sich beim Rückzug gegenseitig nieder. Das war das Zeichen zum Gegenangriff, endlich hatte das Warten ein Ende. Schon riss der Hagel ihrer Kanonen tödliche Schneisen in die Linien der Schweden. Noch ehe die Reihen über den Bahnen aus zerfetzten Leibern geschlossen werden konnten, stürmten die kaiserlich-spanischen Heerhaufen auf breitester Front, unter den Trommeln des Fußvolks, den Trompetenstößen der Reiterei, sowohl gegen Bernhard von Weimar als auch an der anderen Frontlinie zum Albuch gegen Horn.
Als Matthes seinem Pferd die Sporen gab, war die Angst verflogen. Überhaupt jegliches Gefühl. Eisige Ruhe ergriff ihn; sein Verstand war vollkommen auf de Paradas Befehle konzentriert. Vor ihnen preschten die kroatischen Reiter mit ihren gesenkten Lanzen zum Albuch hin und schlugen Breschen in die feindlichen Linien. Sie setzten nach, zügelten in kurzer Entfernung vor dem Gegner ihre Pferde, feuerten eine Salve ab, zogen das Schwert und gingen dann zur Attacke über. Mitten hinein warf sich Matthes, in das Geviert der Pikeniere und Handschützen. Dann weiter, durch die mit Kiefern bewachsene Schlucht, hinauf auf den kahlen Berg, in die nächsten Reihen geschlagen, mit dem Schwert Piken abgewehrt, sich frei gekämpft, ein brennender Schmerz im Unterarm, einfach nicht darauf achten und rasch die Büchse geladen, um damit eine Schwadron Dragonerin die Flucht zu jagen. Da war keine Zeit mehr nachzudenken, er war mit den anderen zu einem einzigen Körper verschmolzen, einem Ungeheuer, das seine Tentakel in alle Richtungen vorschnellen ließ, er musste nur auf de Parada achten, auf die Trompetensignale, auf die gebrüllten Befehle der Kommandeure, um die anstürmenden Rotten Horns eine nach der anderen zu dezimieren.
Fünf Stunden tobte die Schlacht um den Feldherrnhügel, über ein Dutzend Male setzten die Schweden vergeblich zum Sturm an, fluteten zurück, stürmten erneut. Bald ließen die Wolken von Staub und Pulverdampf nicht mehr die Hand vor Augen sehen. Aber Matthes’ geschärfte Sinne nahmen alles wahr: das Krachen der Piken, das Klirren der Schwerter gegen die Rüstungen, das dumpfe Geräusch, wenn Pferdeleiber gegeneinanderprallen, dazwischen Detonationen und Todesschreie, Pulverdampf und der Geruch warmen Blutes, die heiseren Schlachtrufe der Spanier, ihr «Santiago!» und «Viva España!». Dazu immer wieder das Schmerzgebrüll der Schlachtrosse. Matthes wusste: Man musste die Pferde stechen, am besten in die Nüstern oder Flanken, um die geharnischten Reiter zu überwältigen. Doch Vorsicht: Waren die Reiter geschickt und schnell genug im Sturz, luden sie ihre Pistole und nahmen das sterbende Pferd als Deckung.
Fünf Stunden ein Inferno aus Blitz und Rauch, aus
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